Kinderträume

Ravels «L’ Enfant et les sortilèges», Debussys «L’Enfant prodigue» und französische Glanzlichter von Victoria de Los Angeles

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Wir stellen uns die Szene vor. Eine Party. Im Salon die Erwachsenen, angeregt über Politik, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft disputierend. Nebenan eine bunte Rasselbande, im enthemmten Durcheinander. Mitten unter ihnen, auf Knien durchs Zimmer rutschend, ein soignierter Herr im Anzug ... Eine Fiktion. Allein, sie war Realität. Maurice Ravel liebte es, unter den wilden Kerlen und Gören mit ihren Stofftieren und Schnodderschnuten zu weilen, hier fühlte er sich wohl.

Weswegen es wenig verwundert, dass er irgendwann daran ging, eine Fantasie lyrique zu schreiben, deren (etwas störrischer) Held ein Kind ist, dem animalische Freunde die Leviten lesen: «L’Enfant et les sortilèges». Ein Stück voller Fantasien, reich an verrückten Wendungen, mit zauberhafter Musik. Ein Kindertraum.

Zwei neue Aufnahmen atmen exakt diesen Geist. Die Magie der Vergessenheit. Das Traumhafte. Unerhörte Sinnlichkeit im Leicht-Schwebenden. All das entlocken sowohl Mikko Franck an der Spitze des Orchestre Philharmonique de France als auch Stéphane Denève und das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart der Partitur, pointiert, mit schillernden Valeurs und spektral aufgefächerten Farben, beide sehr «französisch», fein ...

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Opernwelt August 2017
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Jürgen Otten

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