Immer auf Linie
Vor ein paar Jahren fiel Marie-Nicole Lemieux in Glyndebourne auf, als sie die Mistress Quickly in Richard Jones’ Nachkriegs-England-Version von Verdis Falstaff zur umwerfenden Charakterstudie einer ältlichen Lehrerin und Pfadfinderführerin umformte. Doch die junge Kanadierin ist in vielen Stilen und Kostümen zu Hause, was sie mit ihrem Recital mit Arien und Szenen von Gluck, Graun, Haydn und Mozart in grandioser Manier beweist.
Sie ist ein echter Contralto-Mezzo mit voluminös reicher Tiefe ohne künstliche Verdickung und mit schöner, flexibler Höhe, gesangstechnisch untadelig, mit perfekten Registerübergängen, im Dramatischen genauso souverän wie im Lyrischen. Virtuos ihre Koloraturen, wobei diese nie Selbstzweck, sondern stets mit Bedeutung aufgeladen sind. Auch bei äußerster Expression an der Grenze zur Deklamation bleibt sie stets auf Linie. Sie versteht es, jeden Charakter mit ihrer Persönlichkeit zu füllen und dennoch völlig unterschiedlich erscheinen zu lassen, schlüpft wie ein Chamäleon in die jeweiligen Partien. Man vergleiche etwa die dramatische Kraft ihrer Clytemnestre (aus Glucks Iphigénie en Aulide) mit dem bei aller Leidenschaft leicht hingestäubten «Voi, che sapete» ...
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Opernwelt Januar 2013
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 19
von Gerhard Persché
In ihrem Tagebuch notiert Cosima Wagner von den Ring-Proben 1876, dass den Kindern der erste Akt Siegfried am besten gefallen habe. Kinder wären auch die idealen Zuschauer für Achim Freyers am Puppenspiel und Kasperletheater orientierter Mannheimer Inszenierung. Für das Scherzo in Wagners Ring-Sinfonie vom Anfang und Ende der Welt verzichtet Freyer auf das optisch...
Andernorts werden Theater geschlossen, Heidelberg eröffnet ein neues und besitzt mit dem großzügig sanierten Altbau aus dem 19. Jahrhundert sowie dem sachlich-kühlen Neubau mit 512 Sitzplätzen jetzt gleich zwei technisch hervorragend bestückte Räume, um die viele Kommunen die Universitätsstadt am Neckar beneiden werden. Besichtigt man das von den Darmstädter...
Wie alle wahren Genies ist Mozart immer auch Kind geblieben. Die Tiefe und Überfülle seiner Kunst hat viel damit zu tun, dass er das Staunen nie verlernt hat. Ein Staunen, das nicht urteilt, sondern verstehen will. Die Welt. Sonne, Mond und Sterne. Vor allem aber den Menschen, das rätselhafteste, faszinierendste Wesen der Schöpfung. Wer sind wir? Wo stehen wir? Was...