«Ich misstraue der Morgenstimmung»

Stacheltier, Metaphysiker, decadent – eine Begegnung mit dem polnischen Regisseur Krzysztof Warlikowski

Opernwelt - Logo

Windschief. Ungeduldig hingefläzt. Die Schiebermütze in den Nacken gedrückt rutscht Krzysztof Warlikowski auf dem Regiestühlchen hin und her, von dem er sich zur Begrüßung nur ganz kurz, für ein sehr müdes Lächeln, erhoben hat. Sein Tag sei schlecht gewesen, entschuldigt er sich. Die Proben zum «Rake’s Progress» von Strawinsky, die er an der Berliner Staatsoper aufgenommen hat (in der Ausweichspielstätte im Schiller Theater), wurden kurzfristig für Beobachter gesperrt. Man befindet sich in einer kritischen Phase der Produktion.



Gut Kirschen essen ist mit dem Mann ohnehin nicht. Am Vorabend in Berlin (nach einer Vorstellung von «Un Tramway», der französischen Version von «Endstation Sehnsucht») hat er vor versammeltem Publikum der Hauptdarstellerin Isabelle Huppert das Mikrofon aus der Hand gerissen, um eine Journalistin für eine vermeintlich unverfrorene Frage abzukanzeln. Später rechtfertigt er sich und kokettiert mit allgemeiner Kommunikationsunfähigkeit. Ein erstaunliches Manko für einen Regisseur.

Als Reaktion darauf, dass sein Brüsseler «Macbeth» von «Opernwelt» zur Produktion des Jahres 2010 gewählt wurde, spitzt er nur maliziös und leicht angeekelt das Mündchen. Sind halt ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Januar 2011
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Kai Luehrs-Kaiser

Weitere Beiträge
Im Zwiespalt

Im Genfer Programmheft sieht man die Sängerinnen der Elektra wie auf einer Perlenschnur aufgereiht – wenn die zarte Metapher für die Schwergewichte vergangener Tage überhaupt zulässig ist. Annie Krull, die den monströsen Part für die Dresdner Uraufführung in wenigen Wochen lernen musste, mit wirren Haaren; Zdenka Faßbender, die erste Münchner Elektra, mit bösem...

Zwischen Spaßbad und Grusel-Show

Der Leipziger Gluck-Zyklus geht weiter. Nach «Alkestis» (siehe OW 6/2010) hat Peter Konwitschny als zweites Stück seiner Auseinandersetzung mit dem Opernreformator die 1774 für Paris entstandene «Iphigenie in Aulis» inszeniert. Wieder geht es ihm – gut ideologiekritisch – darum, das Frauenopfer als Metapher und Basis der modernen Zivilisation freizulegen. Die...

Beiläufig errungen

Die griechische Urversion der Geschichte ist bekannt: Phädra liebt ihren Stiefsohn Hippolyt, der weist sie zurück, aus Rache bezichtigt sie ihn der Vergewaltigung, Hippolyt wird getötet, Phädra erhängt sich. In der römischen Überlieferung hat diese Tragödie des ungeordneten Triebs eine Fortsetzung: Die Göttin Artemis/Diana entrückt die zerstückelte Leiche ihres...