Histofuturistisch

Dresden / Semperoper Mozart: Idomeneo

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Kreta – an der Semperoper zeigt sich die Insel als ästhetische Mischung aus Raffaello-Werbewelt und Science Fiction. Die Bühne dominiert ein breiter Steg, überspannt von vier Rahmen, auf die das Meer projiziert werden kann, gepeitschter Schaum, azurne Ruhe. Kathrin-Susann Brose skizziert so eine barocke Gassenbühne. Sie kann ein Schiffsdeck sein oder die Rampe eines Space Shuttles. Historisch und futuristisch zugleich, wie Idomeneo. Michael Schulz will das Zwitterwesen aus Typen- und Charaktertheater hervorkehren.

So geht es der barocken Prachtschnepfe Elettra wie den Märchenfiguren im Disney-Film Enchanted, die sich aus der Zeichentrick- in die reale Welt verirren und dort geradezu außerirdisch wirken. Elettra schreitet zwischen den in weißen Sommerroben puristisch gewandeten Kretern umher und wünscht sich wohl, sie hätte noch die Zauberkraft einer Händel’schen Alcina, um Ilia und Idamante zu trennen. Faktisch bleibt sie eine machtlose Randfigur, die ihre Arien denn auch meist für sich singt. Am Schluss begreift sie, dass es Zeit wird, sich anzupassen; mit «D’Oreste, d’Aiace» reißt sie sich die grelle Satinrobe vom Leib und wird in schlichtem Kittel zeitgemäß.

Rachel ...

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Opernwelt Januar 2013
Rubrik: Panorama, Seite 37
von Wiebke Roloff

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