Heikle Groteske
In seiner letzten Oper «Der goldene Hahn» erzählt Nikolai Rimsky-Korsakow, frei nach Alexander Puschkins gleichnamigem Versmärchen, eine «unglaubliche Geschichte» (so der Untertitel): Ein Intellektueller, ein Machthaber und eine freie Frau treffen aufeinander. Der Astrologe benutzt den Zaren Dodon, um in den Besitz der Zariza von Schemachan, einer Orientalin, zu gelangen. Doch das Naturwesen lässt sich weder vom altersschwachen Herrscher noch von dem beschränkten, mit einer Kastratenstimme singenden Wissenschaftler einfangen.
Am Ende – nachdem erst der Zar den Astrologen, dann der Hahn den Zaren getötet hat und das Volk ratlos zurückbleibt – verschwindet die Zariza: lachend. Rimsky-Korsakow hat die Perversion der marionettenhaften Zarenherrschaft mit dem karikaturistischen Pomp hohler Märsche, die Faszination der exotischen Zariza mit farbiger Chromatik und glitzernden Koloraturkaskaden eingefangen.
Von der politischen Satire mit ihrer parodistischen Drastik ist in Anna Matisons Inszenierung, die 2014 am Sankt Petersburger Mariinsky-Theater Premiere hatte, nicht viel übrig geblieben. Sie reduziert das rätselhafte, dennoch unmissverständliche Stück auf ein poppig-buntes ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Eine indische Frau kann auch ohne roten Bindi auf der Stirn schön sein, wenn sie Olga Peretyatko heißt (die freilich neuerdings auch den Namen ihres italienischen Dirigentengatten Michele Mariotti führt) und über einen eleganten, kraftvollen Sopran verfügt. Dass die dramatisch überzeichneten Koloraturen nicht recht passen wollen zu einer Priesterin, fällt dabei...
Schon während der Aufführung fragt man sich, warum eigentlich dieses 1890 in Turin uraufgeführte Werk nicht in den Spielplänen auftaucht. Liegt es daran, dass der 1893 im Alter von nur 39 Jahren verstorbene Alfredo Catalani zwischen den beiden Schwergewichten Verdi und Puccini erdrückt wurde? Oder an der Vermessenheit, einen so eminent deutschen Stoff wie die...
Münchhausen hat auf allen Linien gesiegt, alternative Wahrheiten scheinen angesagt. Doch eigentlich müssten Theaterleute abwinken. Denn die Manipulation von Fakten gehört seit je zu den unverzichtbaren Jetons des theatralischen Spiels mit der Realität; letztlich bleibt bloß die Frage nach der Priorität. Auf solche fake news hoben denn auch Valentin Schwarz (A) und...
