Hauptsache spielerisch
Ein Orchester geht in Aufstellung. Die Streicher nach vorne, dahinter Blech- und Holzbläser, die Pulte akkurat im Halbkreis aufgereiht. Es erklingen die ersten Takte von Beethovens «Eroica». Da geschieht das Unerwartete: Eine Geigerin reißt ihr Notenblatt vom Pult. Andere folgen ihrem Beispiel. Immer mehr Notenblätter wirbeln durch die Luft, immer mehr Pulte fallen laut polternd zu Boden.
Eine Geste, die einem Freigeist wie Beethoven vermutlich gefallen hätte: Der Legende nach riss er das Deckblatt des Manuskripts wutentbrannt in zwei Teile, nachdem er erfahren hatte, dass ihr Widmungsträger – Napoleon Bonaparte – die egalitären Ideale der Revolution verraten und kaltschnäuzig Krone und Staatsmacht an sich gerissen hatte.
Dem kühnen Auftakt folgt eine performative Entdeckungsreise. Barfuß umkreisen die Musizierenden einander, lehnen Rücken an Rücken oder erobern Teile der Zuschauertribüne. Sie spielen ohne Dirigent, ohne Noten. Sie fluten das Berliner «Theater im Delphi» mit Musik und hauchen dem thematischen Material von Beethovens dritter Symphonie neues Leben ein – mal originalgetreu, mal leicht verfremdet. Hin und wieder schält sich ein Solist aus dem klingenden Kollektiv und ...
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Opernwelt Juli 2025
Rubrik: Magazin, Seite 74
von Anna Schors
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