Geometrie des Schreckens

Palermo, Debussy: Pelléas et Mélisande

Opernwelt - Logo

Eigentlich müssten die dunklen, ungreifbaren Ängste der Mélisande und ihres Schwagers Pelléas in Palermo, wo die ungreifbare Mafia herrscht, auf eine gewisse Seelenverwandtschaft treffen: Nichts ist gewiss, aber alle wissen es. Gewiss ist nur, dass der derzeit mächtigs­te Boss Bernardo Provenzano seit mehr als vierzig (!) Jahren unauffindbar ist, obwohl er in Palermo oder Umgebung lebt.

Aber die Geometrie der Ängste war den Palermitanern vielleich allzu nah, ein müdes Pub­likum fand Debussy fad, und die Inszenierung von Pier’Alli, mit seiner Ausstattung, die 1997 in Lille Preise einheimste, löste nur Ratlosigkeit aus.
Dabei ist Pier’Allis Phantasie eindringlich und leicht zu entschlüsseln: Er hat die Technik seiner frühen Experimente, Psychisches in abstrakte Bildwelten zu übersetzen, eher vereinfacht. Im «Pelléas» entspricht dem Intellekt und der Klarheit eine gotisierende Geometrie aus Spitzbögen und Kreissegmenten, dem Sentiment eine vegetabile Formenwelt, tropfsteinige Wälder aus Stalaktiten und Stalagmiten. Die Bilder verweisen aufeinander, das Riesengestirn eines bleichen Planeten kehrt immer wieder. Ist er die Heimat Mélisandes oder des Kleinen Prinzen von Saint-Exupéry? ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt März 2005
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Dietmar Polaczek

Vergriffen
Weitere Beiträge
Die Anti-Diva

Die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt hat durch ihren Darstellungsstil nicht nur die literarische Produktion ihrer Zeit wesentlich inspiriert, sondern auch auf die ita­lienische Oper einen großen Einfluss gehabt. Tosca, Fedora, Adriana Lecouvreur gehörten zu ihren erfolgreichsten Rollen. Ihr melodischer Sprechgesang machte deutlich, dass diese Stücke...

Britten: A Midsummer Night´s Dream

Stefan Soltesz, Chef der Essener Philharmoniker und Intendant des Aalto-Musik­theaters, mag im Kreise seiner Untergebenen als gnadenloser Tyrann verschrien sein, doch seinen Laden hat er, wenn es um die künstlerische Qualität der angebotenen Produkte geht, fraglos zu einer der verlässlichsten Adressen in der deutschen Opernlandschaft gemacht. Und das keineswegs...

Verflixte Größe

Richtig putzig wirkte die alte Kulisse plötzlich: ein zierliches Stück Sperrholz-Barock in neuer, hochtechnisierter Umgebung. Wenn Carl Nielsens «Maskarade», die dänische Nationaloper schlechthin, bisher im Königlichen Theater am Kongens Nytorv gespielt wurde, war die Bühne voll mit einem Halbrund aus Balkons und Türen. Nun, auf der Bühne von Kopenhagens neuem...