Frauenleben und -leiden
Programmatisch betrachtet, hat so eine Pandemie durchaus auch ihre guten Seiten. Denn gewiss würden die Opernhäuser Stücke, die sonst kaum eine Lobby haben, ohne Einschränkungen auf und vor der Bühne nicht auf ihre derzeitigen Spielpläne setzen. Ein Beispiel: das Anhaltische Theater in Dessau, wo Francis Poulencs Einpersonenstück «La voix humaine» herauskam, freilich nicht in der Orchesterfassung, sondern mit begleitendem Pianist und in deutscher Übersetzung.
Dass die Handlung dieses 1959 uraufgeführten Monodramas für eine Sängerin und Telefon nach einem Theaterstück Jean Cocteaus komplett ins Innere verlegt ist, findet in der minimalistischen Bühne von Johannes Weigand seine Entsprechung: Das Publikum blickt von einer im Bühnenraum platzierten mobilen Zuschauertribüne auf einen grauen, nach vorne geneigten, halbgeöffneten Kubus. Auf dessen Grundfläche befindet sich noch einmal ein weißer Quader – das Bett, das den Raum in ein Schlafzimmer verwandelt und als einziges Requisit neben dem stets griffbereiten Telefonapparat im Libretto vorgeschrieben ist.
Eine Stunde lang ist zu sehen und hören, wie eine namenlose Frau telefoniert. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt ist der ...
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Opernwelt November 2020
Rubrik: Magazin, Seite 68
von Werner Kopfmüller
Tolles Cover. Ungeschönt, ehrlich, direkt. Dazu erzählt es viel über diese ziemlich außergewöhnliche Frau. Der Blick ist klar, streng und doch verträumt, fast liebevoll. Um die geschlossenen Lippen spielt leise Ironie. Und beide Arme sind verschränkt, einerseits resolut, andererseits wie zum Schutz. Sie ließen sich öffnen. Und mit ihnen würde man einen Weg...
JUBILARE
Stein Winge absolvierte seine Ausbildung an der Academy of Dramatic Art in Oslo. Der Norweger, bereits als Produzent, Schauspiel- und Fernsehregisseur erfolgreich, wandte sich in den 1990er-Jahren verstärkt dem Musiktheater zu. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1993 mit seiner Lesart von Mussorgskys «Boris Godunow» am Grand Théâtre de Genève....
Irgendwann einmal wird man hoffentlich nicht mehr erzählen, wie eine Operninszenierung mit den herrschenden Hygieneregeln umgeht. Aber noch ist es interessant zu sehen, dass es kluge Lösungen gibt, die nichts von einem Behelf haben, die in sich sinnstiftend sind. Fällt es noch relativ leicht, die Solisten auf Abstand zueinander auf der Bühne zu halten, so bleiben...