Feuerwerk an der Seitenlinie

Wer zuletzt lacht, lacht am besten? Nun ja. Offenbachs Opéra-bouffe «Die Großherzogin von Gerolstein» in Nürnberg, München und Graz

Als zuletzt 2004 am Nürnberger Staatstheater «Die Großherzogin von Gerolstein» gespielt wurde, kam es zum Skandal. Im Zentrum standen seinerzeit der übergroße Phallus des Generals Bumm und eine Rakete, die unter US-amerikanischer Flagge durchs letzte Bild flog. Die USA hatten im Jahr zuvor den Irak überfallen, unter dem Vorwand, das Land besitze Massenvernichtungswaffen. Die deutsche Regierung hatte dem Bündnispartner die Glaubwürdigkeit abgesprochen und eine militärische Beteiligung weitgehend verweigert.

Der Nürnberger Stadtrat zeigte sich enragiert über die Inszenierung, bereits zur zweiten Aufführung ließ der Intendant sie kürzen. Dagegen prozessierte das Regieteam, so dass am Ende das Landgericht Nürnberg-Fürth eine dritte Fassung festschrieb. 

Auch die Akten von damals liegen wahrscheinlich in den Rundungen des Archivs, das Harald Thor knapp zwanzig Jahre später für Jacques Offenbachs Opéra-bouffe auf dieselbe Bühne gebaut hat, sicher verstaut in einer der sich bis in den Schnürboden hinauf stapelnden Schubladen. Ein Heer von Archivaren in einheitlich schwarzen Perücken und mausgrauen Bürokratenuniformen wuselt zwischen altertümlicher Elektronik herum, ergeht sich in ...

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Opernwelt April 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 24
von Michael Stallknecht

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