Marianne Crebassa: «Secrets», Marianne Crebassa (Mezzosopran), Fazil Say (Klavier); Erato/Warner 0190295768973 (CD); AD:2017
Fern der wirklichen Welt
Jahrelang haben Véronique Gens und Sandrine Piau das französische Repertoire fast allein beherrscht. Jetzt bekommen sie Konkurrenz durch Sabine Devieilhe und Marianne Crebassa – eine Blutzufuhr, die dem im Vergleich zum Barock sängerisch noch immer unterbelichteten späten 19. und frühen 20. Jahrhundert guttut. «Mirages» hat Devieilhe ihre Auswahl virtuoser Koloraturstücke benannt; damit bezeichnet man im Französischen ein Trugbild oder eine Fata Morgana, wie sie für die südlichen Länder charakteristisch ist.
Crebassa folgt ihr auf dem Fuß mit «Secrets», geht aber den entgegengesetzten Weg des Rückzugs in die «Geheimnisse» innerer Seelenlandschaften.
Auch sonst schlingt sich ein (beim ersten Hören unsichtbares) Band durch die beiden Programme – das Zweibuchstabenwörtchen «Ah», das ein weites Spektrum an Gefühlen vom Seufzer über den wehmutsvollen Schmerz bis zur ekstatischen Verzückung auszudrücken vermag. In der berühmten Glöckchenarie aus Léo Delibes’ «Lakmé» verlockt das schöne Hindumädchen damit den europäischen Geliebten, in Ambroïse Thomas’ «Hamlet» chiffriert es den Wahnsinn Ophélies, in Jules Massenets «Thaïs» begleitet es den verführerischen Tanz der ägyptischen ...
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Opernwelt Januar 2018
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 28
von Uwe Schweikert
Zwei Phänomene überraschen den Verfasser dieser Zeilen, wann immer Rossinis «Cenerentola» auf dem Programm steht. Da wäre zunächst die Genialität, mit der der Komponist die musikalischen Formen seiner Zeit auszuschöpfen weiß. Evident wird sie nicht nur in der Art, wie sich Angelinas volksliedhafte Kavatine «Una volta c’era un re» aus dem Belcanto-Gefüge...
Wer solche Untertanen hat, kann den Staatsapparat klein halten: Privatspitzel allüberall, fast an jeder Kanalecke. Und fürs besonders perfide Denunziantentum hielt das alte Venedig «Löwenmäuler» bereit, kunstfertig gestaltete Briefkästen, in denen die Beschuldigungen hinterlegt werden konnten, am besten mit Absender. Ganz prosaisch sind diese bocche di leone in...
Tropfen. Erst ist es nur einer, der im Irgendwo herabsinkt, zeitlupenhaft vergrößert wie in Andrej Tarkowskijs «Nostalghia», als ins schier Unendliche zerdehnte Zeit. Nach dem Aufprall herrscht sekundenlang Stille, dann fällt ein weiterer Tropfen. Und dann sind es immer mehr, von überall her drängen sie, elektronisch verstärkt, herein, bis man förmlich umzingelt...
