Einsamer Apokalyptiker
Die Bezeichnung «französischer Mahler» hätte ihn vermutlich nicht besonders entzückt. Aber es kam auch niemand auf den Vergleich, da Mahler in Paris fast unbekannt war. Unter allen Komponisten Frankreichs hat nur einer den Wiener Kollegen rezipiert, nämlich Charles Tournemire (1870–1939). Er besorgte sich dessen Partituren und versah eigene Manuskripte mit Fußnoten, die auf ähn -liche Stellen bei Mahler verweisen. Die Neigung zum Monumentalen ist beiden Komponisten eigen, doch gab es weltanschaulich mehr Trennendes als Verbindendes.
Tournemires Oper «La Légende de Tristan», mit knapp hundertjähriger Verspätung Mitte Dezember 2022 in Ulm uraufgeführt, will die mythische Überlieferungen christianisieren – oder den Katholizismus mystifizieren. Auch sein berüchtigtes Hauptwerk «L’Orgue Mystique» mit 51 Messoffizien für jeden Sonntag und kirchlichen Feiertag sowie zahlreiche andere Werke für die Königin der Instrumente und ihren bürgerlichen Verwandten, das Klavier, für Opernbühne und Orchester bekunden Tournemires brennenden Glaubenseifer.
Es stammte aus Bordeaux, entfloh den engen Familienverhältnissen als 16-Jähriger, um in Paris bei Vincent d’Indy und Charles-Marie Widor zu ...
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Opernwelt Jahrbuch 2023
Rubrik: Uraufführungen des Jahres, Seite 34
von Volker Tarnow
Wir kennen diese Frau, ihr Leiden, ihre Einsamkeit. Und doch erstaunt die Drastik, mit der Barrie Kosky Katja Kabanowa in seiner Salzburger Festspiele-Inszenierung in den Vordergrund rückt und wie getrieben die Titelfigur in Janáčeks Oper ist. «Fast obsessiv rauft sich Corinne Winters (die uns, wie schon in der Genfer «Jenůfa», erneut mit ihrem enormen...
Ein ahnungsloser Reisender wäre vermutlich nachhaltig irritiert, käme er an einem milden Herbstnachmittag am Frankfurter Hauptbahnhof an und würde seinen Weg zu Fuß durch das Bahnhofsviertel in Richtung Willy-Brandt-Platz antreten. Der Pfad zur Kunst, er ist steinig und für zarte Gemüter nicht eben angenehm. Seit einigen Jahren wächst die Armut und damit auch die...
Herr Freyer, Sie arbeiten auch im Alter unverändert viel und konzentriert. Wie war Ihr Tag heute?
Er war schöpferisch, aber nur für den Körper und fürs Gemüt. Meine Frau und ich haben einen frühen Spaziergang gemacht, aber da fing es wieder an zu regnen. Man arbeitet ja trotzdem, man kann es gar nicht lassen. Es macht so viel Spaß.
Ist Italien auch für Sie die...
