Editorial März 2018
Schaut man auf die Zahlen, die uns zum Thema «Besucherentwicklung» regelmäßig aus den Presseabteilungen bundesdeutscher Theater erreichen, scheint die Welt in bester Ordnung. Häufig werden da Rekordbilanzen präsentiert. Der Tenor beinahe aller für die Öffentlichkeit bestimmten Statistiken: Das Interesse ist enorm, Auslastung und Erlöse steigen.
Sieht man sich in den Häusern abseits von Premieren und special events um, ergibt sich oft ein anderes Bild. Nehmen wir einen gewöhnlichen Opernabend in einer mittelgroßen Stadt.
Auf dem Spielplan steht Verdis «Don Carlo», die fünfaktige Fassung, mit Fontainebleau-Aufzug. Doch was heißt hier gewöhnlich? Das Stück ist so geistreich wie gegenwartstauglich, seine musikalische Substanz über jeden Zweifel erhaben, kurzum: ein Meisterwerk. Auch wenn Inszenierung und vokales Niveau höchsten Ansprüchen nicht genügen mögen – die Aufführung besäße immer noch reichlich Qualitäten, um Zuschauer zu locken. Eigentlich sollte die Hütte voll sein, zumal wir hier von der zweiten Vorstellung einer Neuproduktion sprechen. Allein, die Reihen sind arg gelichtet. Eine Ausnahme? Oder doch eher Opernalltag?
Wer von Kiel bis Kassel, Braunschweig bis Bremerhaven, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2018
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Jürgen Otten & Albrecht Thiemann
Im heutigen Opernbetrieb ist es nicht mehr leicht, Regisseure zu finden, die für Sensation sorgen oder zumindest für einen Skandal. Für einen ehrenvollen, versteht sich! Für den neuen Hamburger «Fidelio» setzte Intendant George Delnon auf eine andere Lösung: Er hat das Stück selber in Szene gesetzt, als Bebilderung vager Ideen über das Werk, mit einem auf den...
Vor dem schwarzen Samt ein großes Bett, in dem Tamino gleich eine Schlange entdecken wird, die da nicht hingehört, was den jungen Mann sichtlich irritiert. Wenn der Vorhang sich öffnet, sehen wir ein Jugendorchester, das pantomimisch bebildert, was Kapellmeister Valtteri Rauhalammi dem Niedersächsischen Staatsorchester abringt: einen gerne flotten, selten aber...
Bizarrer kann ein Titel kaum sein. Aber keine Sorge, er macht Sinn. «Crazy Girl Crazy» verknüpft drei Werke, die Barbara Hannigan besonders am Herzen liegen, wie sie im Booklet bekennt. Die «Mädchenzeit», so die kanadische Sängerin und Dirigentin, spiele dabei ebenso eine Rolle wie die Idee der Verrücktheit. «Nicht der Irrsinn, aber die Verrücktheit, verliebt zu...