Drahtseilakt
Der epochale französische Pianist Alfred Cortot fügte in seiner «Studien-Ausgabe» der Chopin-Préludes allen 24 Stücken poetisierend charakteristische Deutungen bei. Er tat dies aus dem Geiste der «schwarzen» Romantik: exaltiert, depressiv, apokalyptisch – abgründig angesiedelt zwischen Berlioz und Baudelaire. So heißt es etwa über das «Regentropfen»-Prélude: «Aber der Tod ist da, im Dunkel». Das finale d-Moll-Fanal löste sogar die Assoziation «Blut, Wollust und Tod» aus.
Jene «Sympathie mit dem Tode», die Thomas Mann noch 1918 Pfitzners «Palestrina» attestierte, schien allgegenwärtig. Ebendieser entsprach auch die deutsche Reserve gegen die französische Kultur samt ihrer angeblichen Oberflächlichkeit. Leichtfertig übersehen wurden dabei die fatalistischen Tendenzen der Theaterstücke von Maurice Maeterlinck, dessen «Pelléas et Mélisande» in ganz anderer Weise von «Sympathie mit dem Tode» zeugt. Dass so konträre Komponisten wie Schönberg und Sibelius sich dem «Pelléas»-Stoff zuwandten, zeugt von der Internationalität des letztlich depressiven Fin de Siècle.
Auch Aribert Reimann steht gewiss nicht für Happy music. Vom «Traumspiel» bis zur «Medea» stehen seine Opern im Zeichen des ...
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Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Panorama, Seite 51
von Gerhard R. Koch
Für seine Vertonung des Schauspiels von Oscar Wilde verzichtet Gerald Barry auf einen Höhepunkt des vom Plot aus dem Markus-Evangelium zur Sexphantasie für Oper, Literatur und Film gewordenen Narrativs über Salome. In der Textbuch-Einrichtung des irischen Komponisten singen alle Figuren in englischer Übersetzung, nur der am Ende geköpfte Prophet tut es in Wildes...
An Gesamtaufnahmen des «Rinaldo» herrscht kein Mangel. Was wir hören, ist stets die erste Fassung, deren Premiere am 24. Februar 1711 im Londoner Queen’s Theatre am Haymarket und auch danach wahre Begeisterungsstürme auslöste. 1731 später bearbeitete Händel «Rinaldo» aber derart radikal, dass man fast von einem neuen Werk sprechen muss. Die Stimmlagen fast aller...
Zwei Königinnen. Durch beider Adern fließt, wiewohl in unterschiedlicher Konsistenz, kobaltblaues Tudor-Blut, mithin der uneingeschränkte Wille zur Macht. Viel mehr als diese Neigung aber verbindet die Frauen nicht. Weder der Glaube (sei es der an Gott, den Allmächtigen, ans Leben selbst oder an die Liebe) noch die Weltanschauung. Maria Stuart, Schottlands...
