Der sanfte Riese

Musik als Epiphanie des Augenblicks: Zum 70. Geburtstag des Komponisten Pascal Dusapin

Opernwelt - Logo

Von dem französischen Maler und Graphiker Pierre Soulages ist ein Satz überliefert, der in knapp-konzisen Worten das Selbstverständnis eines Künstlers beschreibt: «Es ist das, was ich mache, was mich lehrt, wonach ich suche.

» Auch für Pascal Dusapin besitzt diese sublime Sentenz Gültigkeit; kaum zufällig stellte er sie seinem Essay «Das Empfindsame komponieren» voran, in dem er mit wenigen, aber gestochen scharfen, philosophisch grundierten Worten beschreibt, was es bedeutet, Komponist zu sein, und welche Landschaften man durchstreift auf der Suche nach dem Anderen, Fremden, Unerhörten.

«Die Zwischenräume, Abstände, Pausen», schreibt Dusapin in bester Roland-Barthes-Manier, «schaffen den Raum für eine neue Musik; etwas hält leicht inne und lüftet den Schleier über einer anderen möglichen Musik. An den Rändern einer Bresche des Hörens offenbart sich ein anderes Wahrscheinliches.»

Nicht nur diesen Zeilen merkt man deutlich an, dass dieser charismatische Komponist, der seine Profession (die weit mehr ist als ein Beruf, nämlich eine Passion) stets als eine Tätigkeit im «Dazwischen» begriffen hat, auch als ein im Grunde unauflösbares Paradoxon. Künstlerisches Schaffen bedeutet für ihn ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Magazin, Seite 84
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Versehrte Seelen

Im Kopf des jungen Mannes herrscht ein Riesen-Durcheinander. Seine gesamte Identität schwankt bedenklich, das Dasein erscheint ihm wie ein einziges Paradoxon. Auf der einen Seite fühlt sich Lisandro Vega, den sie alle nur Eisejuaz nennen, verbunden mit jenem indigenen Stamm aus dem Norden Argentiniens, als dessen Mitglied er aufgewachsen ist, auf der anderen prägt...

Lauter Liebesträume

Leere Quinten, das wissen wir aus dem letzten Lied von Schuberts «Winterreise», verheißen wenig Gutes. Unheil naht, nicht selten der Tod. So ist es auch zu Beginn des vierten Akts von Verdis «Otello». Desdemona schleicht, von Emilias Frage «Era più calmo?» nur vage berührt, wie somnambul durch ihr Schlafgemach, und kaum hat das Englischhorn seinen elegischen Gesang...

Große Schmerzen, kleine Seelen

Thomas Mann bezeichnete sie als «wesenlos und allmächtig», Hugo von Hofmannsthal legte seiner Feldmarschallin von Werdenberg die Worte in den Mund, sie sei ein «sonderbar Ding». Unter dem Strich ist die Zeit vermutlich beides, und als hätte er dies schon Jahrhunderte vor Mann und Hofmannsthal geahnt, wenn nicht gewusst, überließ William Shakespeare ihr gleich einen...