Der Rest ist Denken

Magische Prozesse, Musik der Bilder, Mädchen mit Schwefelhölzern: Dem Komponisten Helmut Lachenmann zum 90.

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Gäbe es nicht die Kategorie der Ironie, man müsste an Werk und Person von Helmut Lachenmann verzweifeln. Allein, der Komponist, der seit Jahrzehnten unweit von Stuttgart, wo er am 27. November 1935 geboren wurde, in Leonberg daheim ist, kommentiert furchtlos die Gegenwart – und hat spontan einen frechen Spruch parat, einen seiner berühmten Schüttelreime.

Dann und wann blitzt darin Selbstbeschau, der ewige Zweifel des Kreativen: «Ach Komponieren, blasses Los! / Wenn’s dir zu schwerfällt, lass es bloß! / Denn sonst, wie öfters schon beteuert, / klingt nachher jeder Ton bescheuert!» Doch überwiegt im Leben dieses bärtigen Renaissance-Hünen die gut gelaunte Abenteuerlust, sonst hätte er viele Kämpfe und Anwürfe nicht unbeschadet überstanden. Mit dem Publikum nahm er es leichter, das Buhen und Zischen war ja zumindest Ausdruck des Lebendigen; schlimmer erging es ihm in den 1970er-, 1980er-Jahren mit einigen Musikern in den Orchestern; für diese großen Formationen schrieb er am liebsten. Der philharmonische (Un-)Geist jener Jahre, sich ungern – oder überhaupt nicht – auf Lachenmanns Expeditionen einzulassen, hätte den stärksten Krieger aus der Bahn geworfen. Auch dazu hat der Betroffene ...

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Opernwelt November 2025
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Götz Thieme

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