Blutopfer und Führerkult

Claus Guth deutet «Parsifal» in Barcelona mit Anja Kampe und Klaus Florian Vogt

Opernwelt - Logo

Claus Guth hat seinen Grundansatz in letzter Zeit kaum variiert. Miss­brauch, Dekadenz oder mentale Instabilitäten waren Leitmotive seiner Inszenierungen. Wer da an was oder wem litt, wurde in aller Deutlichkeit vorgeführt. Nun, beim neuen «Parsifal» in Barcelona, findet sich zwar wieder das bekannte großbürgerliche Ambiente. Doch aufs bekannte Guth-Schema lässt sich der Abend nicht reduzieren. Er arbeitet mit gezielter Unklarheit. Die Inszenierung stellt dem mitdenkenden Rezipienten Fallen, sie schlägt Haken und führt auf Irrwege.

Hohe Aufmerksamkeit erfordert allein das sich ständig drehende Bühnenbild von Christian Schmidt, ein Konglomerat aus Wohn- und Schlafräumen, Salons, Treppen. Alles wirkt abgenutzt, beschädigt, verletzt. Es sind Un-Orte, in denen verlorene Subjekte hausen (die Kos­tüme verweisen aufs Fin de Siècle).

Während des Vorspiels sieht man in diffusem Licht eine Szene häuslicher Gewalt. Ein Konflikt zwischen Vater und Sohn endet mit zerbrochenem Geschirr und einer zugeschlagenen Tür. Diese Antibeziehung zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend, wobei im ersten Aufzug etwas Ungeheures geschieht: Titurel vollzieht die Gralszeremonie und benötigt dafür das reale ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Jörn Florian Fuchs

Weitere Beiträge
Gier nach bewegten Bildern...

«Man kann sich selbst nicht sehen…, Geschichten gibt es nur von außen…, daher unsere Gier nach Geschichten!» – Sätze aus Max Frischs Roman «Mein Name sei Gantenbein», die der Regisseur Lorenzo Fioroni ins Programmheft seiner Osnabrücker Inszenierung von Jacques Offenbachs fantastischer Oper «Les Contes d’Hoffmann» setzen ließ (Premiere am 15. Januar 2011). Was dort...

Aufgeschminkt

So viel Hype war nie. Ein mit Silikon vollgepumptes Pin-up-Girl als Hauptfigur am Royal Opera House? Four-letter words, bis der Kronleuchter klingelt? Sex, Drugs & Rock’n’Roll, dass die Wände wackeln? Eine Hähnchenbraterei, ein Striplokal und ein geiler Greis auf der königlichen Bühne? Als bekannt wurde, dass Mark-Anthony Turnage, der 1960 geborene rough boy unter...

«Einfach singen: Das ist’s»

 

Herr Behle, mit Ihrer Aufnahme der «Schönen Müllerin» stellen Sie sich dem Vergleich mit den größten Liedinterpreten von Fritz Wunderlich bis Peter Schreier. So etwas macht man doch nur, wenn man glaubt, etwas ganz Eigenes zu diesem Zyklus zu sagen zu haben.
Dass es von mir bereits zwei Liedeinspielungen gibt, hat natürlich erstmal ganz praktische Gründe: Ein...