Bigger than life

Ohne Frage gehört George London zu den ganz großen Sängern des 20. Jahrhunderts. Ein Charismatiker mit schier unerschöpflichen Stimmreserven, der früh begann und früh aufhören musste.

Erich Wolfgang Korngolds Oper «Die tote Stadt» ist ein Reißer sondergleichen, mit allen Ingredienzen einer Erfolgsoper, und ganz zu Recht neuerdings wieder viel gespielt. Allerdings verbindet sich mit diesem Werk auch ­einer der traurigsten Opernmitschnitte, vergleichbar nur mit den Aufnahmen der letzten öffentlichen Auftritte von Maria Callas.

Die Doppelrolle des Fritz und des Pierrot mit seinem Schlager «Mein Sehnen, mein Wähnen» singt in einem Mitschnitt aus der Wiener Volksoper von 1967 (mit, nebenbei, einem überragenden Tenor als Paul, dem Amerikaner John Alexander) ein Bariton, dessen Timbre aufhorchen lässt, dessen Stimme aber alt, krank und kraftlos klingt. Es ist dies die Stimme von George London, der in der Tat krank und kraftlos war, aber keineswegs alt – mit 47 Jahren war er in einem Alter, in dem Baritone normalerweise auf dem Höhepunkt ihrer stimmlichen Laufbahn sind. Bei London war dies anders. Bereits 1960, da war er vierzig, tauchten bei ihm, der bis zu diesem Zeitpunkt eine weltweite Anerkennung gefunden hatte, nach einer rund zehnjährigen Karriere stimmliche Probleme auf, die aber zunächst, weil sie auch wieder vorbeizugehen schienen, von ihm und seiner Umgebung ...

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Opernwelt Februar 2012
Rubrik: Retrospektive, Seite 28
von Jens-Malte Fischer

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