Beiläufig errungen
Die griechische Urversion der Geschichte ist bekannt: Phädra liebt ihren Stiefsohn Hippolyt, der weist sie zurück, aus Rache bezichtigt sie ihn der Vergewaltigung, Hippolyt wird getötet, Phädra erhängt sich. In der römischen Überlieferung hat diese Tragödie des ungeordneten Triebs eine Fortsetzung: Die Göttin Artemis/Diana entrückt die zerstückelte Leiche ihres Lieblings Hippolyt nach Italien, flickt ihn wieder zusammen, macht ihn zu ihrem Priester; noch später mutiert er zu einer lokalen Waldgottheit.
Der Lyriker Christian Lehnert fasst in dieser Geschichte abermals den archetypischen Konflikt, der sich als Konstante durch die Geistesgeschichte zieht – als «Stofftrieb» und «Formtrieb» (Schiller), «Dionysos» und «Apoll» (Nietzsche), «Es» und «Über-Ich» (Freud); repräsentiert in den beiden Göttinnen Aphrodite, dem verkörperten Lustprinzip, und der keuschen Artemis, hier weniger Jagdgöttin als Schwester des Licht- und Vernunftgottes Apoll (Henze vertraut sie der androgynen Stimme eines Countertenors an). Es gilt, die beiden Kräfte in der eigenen Existenz zu integrieren und sich von ihren Ansprüchen freizumachen – den unreflektierten Triebwünschen ebenso wie einer sich absolut ...
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Opernwelt Januar 2011
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Ingo Dorfmüller
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