Balance und Extreme
Die Vorbereitung beginnt im Booklet. Bevor man Jacobs’ «Don Giovanni»-Einspielung hört, sollte man sein fiktives Gespräch mit sich selbst lesen. Dort rechnet er mit den romantischen Mythisierungen ab, denen diese Oper seit E. T. A. Hoffmann ausgesetzt war, er setzt sich mit Tempofragen auseinander und hilft, die Figuren zu charakterisieren. Außerdem erklärt er, warum er sich für die Wiener Fassung entschieden und die Abweichungen der Prager Version in den Appendix gerückt hat.
Wie schon so oft bei Jacobs’ Mozart-Erkundungen werden auch hier bisherige Hörgewohnheiten hinterfragt. Das Freiburger Barockorchester ist für Jacobs’ Ideen der ideale Klang-Übersetzer. Jacobs’ dynamische Gestaltungslust zeigt sich beispielhaft in Masettos Arie «Ho capito»: Wenn die Geigen nach einem Forte-Schluss und anschließender Pause piano spielen, baut Jacobs an dieser Stelle ein zwischengepeitschtes Crescendo und Decrescendo ein. Die Höflichkeitsbekundung Masettos bekommt dadurch einen dramatischen, emotionsverdichtenden Unterton. Dann, wenige Takte später, vor dem «faccia il nostro cavaliere», nimmt der Dirigent plötzlich das Tempo zurück, halbiert es fast, um es darauf sukzessive wieder zu ...
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Zwar ist die elektromagnetische Aufzeichnung der schärfste Feind nostalgischer Verklärung. Doch gelegentlich vermag sie die Erinnerung auch zu bestätigen. Etwa im Fall der Live-Aufnahme von Webers «Freischütz» vor 35 Jahren an der Wiener Staatsoper. Der 28. Mai 1972 war einer jener Abende, von denen man seinen Enkelkindern berichten möchte. Erstmals stand Webers...
«Ich versuche, bereits bei den ersten Proben die Partitur so verständlich zu machen, dass die Musiker – und durch sie auch die Zuhörer – alle Details hören können, die zu dem Werk gehören. Deswegen arbeite ich mit dem Orchester immer sehr ausführlich an der Artikulation und der Balance zwischen den einzelnen Instrumentengruppen.» So antwortete Simone Young kürzlich...
Als Hector Berlioz nach Abschluss der Partitur von «Les Troyens» die Qualitäten seines musikalischen Stils beschrieb, nannte er den leidenschaftlichen Ausdruck, den Reiz des Unerwarteten und das innere Feuer. Keine Komposition des Franzosen weist eine derart große Palette an Abstufungen des Emotionalen auf wie sein dramatisches Hauptwerk, aber auch keines eine so...