Ausgedünnt
Die Pandemie hat dem Musiktheater auch einige positive Überraschungen beschert: Die Bayerische Staatsoper beispielsweise präsentierte einen instrumental von Eberhard Kloke stark abgerüsteten, delikat durchhörbaren «Rosenkavalier», an der Kammeroper Wien kam ein instrumental wie vokal verschlankter «Tristan» heraus, und auch die Deutsche Oper am Rhein servierte an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine von Kloke kammermusikalisch ausgedünnte Version von Wagners Musikdrama. Regie führte Dorian Dreher.
Das Ergebnis ist befremdlich: Zu Beginn stapft Tristan einsam auf die Bühne und nimmt auf einem Baumstamm Platz, während hinter ihm in Riesenlettern das Wort «Mythos» aufscheint und eine Stimme aus dem Off Düsteres aus Aischylos’ «Orestie» raunt. Dann fährt ein Kammerensemble hoch und stimmt das nachtschwarze Vorspiel zum dritten Akt an (Nanu? Alles schon vorbei?). Dazu gesellt sich der Englischhornist Andreas Boege, der die berühmte «alte Weise» noch mehrfach anstimmen und in jedem Teil auch darstellerisch eine Art Schlüsselfunktion als Todesbote (?) einnehmen wird.
Danach geht es erst einmal weiter wie in Wagners Partitur vorgesehen. Heike Scheeles Bühnenbild zeigt eine Schiffskabine, ...
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Opernwelt August 2021
Rubrik: Panorama, Seite 38
von Regine Müller
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Zwangsherrschaft à la Scarpia ist ohne kirchlichen Segen nicht denkbar, die unheilvolle Allianz von politischer und religiöser Unterdrückung mündet geradewegs in eine mit sexuellen Obsessionen angefüllte Folterkammer – wie jenen kurzlebigen faschistischen Reststaat von Salò, den wir aus Pier Paolo Pasolinis Film «Die 120 Tage von Sodom» kennen.
Das jedenfalls ist...
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