Aus der Stille
Vielleicht hängt der internationale Erfolg des 1955 in Hiroshima geborenen Toshio Hosokawa mit einer Sehnsucht zusammen – der Sehnsucht der westlichen Welt, die kommerzielle Kolonialisierung Japans nach dem Zweiten Weltkrieg rückgängig zu machen und die alte japanische Kultur wieder leuchten zu lassen: ihre puristische Strenge, ihren Antirealismus, den Kosmos spiritueller Symbole. Hosokawa scheint dafür der ideale Vermittler.
In seiner leisen, schüchternen Art übt er doch vehemente Kritik an seiner Heimat, kritisiert den hemmungslosen Konsum auf allen Ebenen, wirft dem Land technoide und architektonische Vergewaltigung der Natur vor, deren Auswirkungen der jüngste Tsunami und das Phänomen Fukushima drastisch beweisen.
Hosokawas Antwort darauf ist der buddhistische Blick nach innen und die Reinigung von allen «sündigen Anhaftungen», die er für die Unausgewogenheit menschlichen Handelns verantwortlich macht. Seine Musik sucht den Kontakt zu Vorgängen in der Natur, zur spirituellen Bewegung der Kalligrafie, zur aphoristischen Weltweisheit der alten Dichter, besonders zu den stark stilisierten Nô-Spielen des 15. Jahrhunderts. Schon in den Opern «Visions of Lear» (1998, nach Shakespeare) ...
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Opernwelt Juni 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Michael Struck-Schloen
«Hoffentlich beten Sie mit mir, dass SONNTAG aus LICHT kein ‹Ruhetag› sondern ein Tanz in die Sonne wird. FURCHTLOS WEITER! Ihr Stockhausen.» Den Briefappell des Komponisten von 1995 verstand die Kölner Oper nach mehr als einem Jahrzehnt wohl als ferne Aufforderung, die letzte Etappe, den «Sonntag» aus dem gewaltigen «Licht»-Epos der sieben Wochentage, erstmals...
Lieber Aribert Reimann,
sehr verehrte Damen und Herren,
der Zufall kann ein kluger Gefährte sein. Je näher der Termin der heutigen Laudatio rückte, desto häufiger beschlich mich ein Wort aus Bachs «Johannes-Passion». Es findet sich zu Beginn eines kontemplativen Bass-Ariosos und klingt fast wie Mörike: «Betrachte, meine Seel’, mit ängstlichem Vergnügen». Vergnügen...
Goethe war bekanntlich der Meinung, die Postkutsche fahre eigentlich zu schnell, weil man in ihr die wechselnden Düfte der Baumblüten gar nicht mehr aufnehmen könne. Als ein paar Jahrzehnte später die ersten Züge unterwegs waren, trauten viele Fahrgäste kaum ihren Augen und waren schockiert über die Geschwindigkeit. Heute geht das Schnellerwerden so schnell voran,...