Atmosphäre pur

Massenet: Werther am Gärtnerplatztheater München

Opernwelt - Logo

Kein Anschluss mehr unter dieser Nummer. Ins Leere geht Charlottes Griff nach dem Telefon, das an langer Schnur herunterbaumelt. Werther stirbt, mezza voce gesungen von Lucian Krasznec oder schon fast tonlos; Sophie Rennert schmiegt sich ihm in sanften Farben an. Am Münchner Gärtnerplatztheater ist Jules Massenets «Werther» in doppeltem Sinne ein «Drame lyrique», lyrischer als gewöhnlich jedenfalls, was die Titelrolle angeht. Krasznec ist um Spitzentöne keineswegs verlegen, meidet aber alle äußerliche Emphase, lotet eher die Piano-Farben aus.

Sein Werther ist ein Träumer, der sich vorsichtig durch die Welt tastet, bevor er an ihr zerbricht, wohl auch deshalb Charlotte nicht endgültig gewinnen kann. Dabei bezaubert Krasznec mit Schwelltönen und dem Einsatz der voix mixte nicht nur sie, führt seinen Tenor nach französischem Vorbild weich und bruchlos über den Passagio. Auch Rennerts hell timbrierter Mezzosopran weiß besonders zu Beginn Trauer und Zweifel zu erkunden, flüssig und zugleich klar in der Deklamation. Aber ihr Zugang wird zunehmend dramatischer, steigert sich im dritten Akt in glühende Intensität. 

Es passt zu Herbert Föttingers Inszenierung, in der Charlotte eigentlich ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2023
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Michael Stallknecht

Weitere Beiträge
Feuerwerk an der Seitenlinie

Als zuletzt 2004 am Nürnberger Staatstheater «Die Großherzogin von Gerolstein» gespielt wurde, kam es zum Skandal. Im Zentrum standen seinerzeit der übergroße Phallus des Generals Bumm und eine Rakete, die unter US-amerikanischer Flagge durchs letzte Bild flog. Die USA hatten im Jahr zuvor den Irak überfallen, unter dem Vorwand, das Land besitze...

Schein und Sein

Niemand kann den König spielen», lautet eine alte Theaterweisheit, das müssen die anderen tun. Sie gilt erst recht für den Hochstapler, auf der Bühne wie im wahren Leben. Also sitzt er in der Prager Staatsoper an einem Wirtshaustischlein, die Hose etwas zu hoch sitzend, aber durchaus elegant (schließlich ist er Schneider), die Füße leicht nach außen gestellt wie...

Feuer im Eis

Leise rieselt der Schnee. Unablässig, dichter und dichter werdend, eine Stunde lang. Die Figuren müssen sich in dieser Winterlandschaft vorkommen wie der brave Hans Castorp aus Thomas Manns «Zauberberg», der sich bei einem Ausflug ins Gebirg’ zusehends verirrt und von den Schneemassen fast zugeschüttet wird. Eine Grenzerfahrung birgt auch Romeo Castelluccis...