Atemberaubende Fülle
Der «bedeutendste Sänger des Jahrhunderts» – dem Diktum Leonard Bernsteins würde wohl die Mehrheit der Opernliebhaber vehement widersprechen. Korrigiert man das Etikett jedoch auf «größter Liedsänger», fallen alle Gegenargumente mitsamt der Begrenzung auf eine Epoche unter den Tisch. Kein halbwegs musischer Mensch bezweifelt, dass Dietrich Fischer-Dieskau (1925-2012) Einzigartiges auf dem Gebiet des Kunstlieds geleistet hat.
Seit 1949 lauschte eine ständig wachsende Gemeinde ergriffen dieser halkyonisch hellen, sagen wir ruhig unschuldigen Baritonstimme, ihrer dramatischen, packenden Unmittelbarkeit und phänomenalen Textverständlichkeit. Fischer-Dieskau bedeutete das Ende des braven Strophensingens, des erbaulichen Liedvortrags im neobiedermeierlichen Salon.
Auch wer sich am aristokratischen Gehabe des Sängers und seinen Manierismen störte, entkam nur schwer der Magie dieser Stimme. «Winterreise», «Dichterliebe», «Vier ernste Gesänge» und das «Italienische Liederbuch», jeweils mehrfach aufgenommen, erwiesen sich als Verkaufsschlager, mit denen nur Hermann Prey konkurrieren konnte, der dank seines sinnlichen, warmen, weanerischen Timbres gelegentlich und sogar in der «Winterreise» ...
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Opernwelt April 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 28
von Volker Tarnow
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