Vogelflug

Donizetti: Roberto Devereux am Opernhaus Zürich

Prinz Harrys Enthüllungen der Sauereien im englischen Königshaus wirken fast wie das Greinen eines beleidigten Kindes im Vergleich zu dem Anblick, der sich uns am Beginn der Ouvertüre von Donizettis «Roberto Devereux» bietet. Auf der Bühne liegt die enthauptete Anne Boleyn in einer Blutlache, ihr Henker steht noch mit gezücktem Degen vor der Leiche; im Hintergrund die kleine Elisabeth. In dieser stummen Szene zu der vom Komponisten zitierten Musik der Hymne des Königreichs liegt schon der ganze Aberwitz, in den dieses Melodram führen wird.

Die Geschichte trägt tatsächlich das Gepräge des Irren: Die alternde Königin Elisabeth ist immer noch in ihren einstigen Geliebten, den titelgebenden Earl of Essex vernarrt. Es folgt eine romanhaft verzwickte Handlung um Hochverrat, (scheinbare) eheliche Untreue, eine parlamentarische Intrige sowie ein Missverständnis um einen bestickten Schal – ein Corpus Delicti wie das Taschentuch in Verdis «Otello». Die Königin rast in Eifersucht und unterschreibt Robertos Todesurteil – nicht jedoch aus Gründen der Staatsräson wie ihr Vater, sondern aufgrund emotionaler Verranntheit. Entgegen der geschichtlichen Wahrheit folgen die Abdankung und die Reise in ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2023
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Bernd Künzig

Weitere Beiträge
Keine leichte Kost

1917, auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs und in den Straßen der vernarbten Städte sterben seit Jahren völlig sinnlos Millionen von Menschen, schreibt Walter Hasenclever ein bitterbös-gnadenloses Gedicht: «Die Mörder sitzen in der Oper!» Und kaum gewaltiger könnte der Unterschied zwischen den Sphären sein, die der Dichter in scharfschneidende,...

Willkürherrschaft

Am Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine eine Oper, die vor dem Hintergrund der Eroberungsfeldzüge Ivans des Schrecklichen spielt: Georges Bizets «Ivan IV» aus der ersten Hälfte der 1860er-Jahre war ein lange Zeit glückloses Werk. Aufführungspläne scheiterten, der fünfte Akt blieb unfertig. Der bedeutende Bizet-Biograf Winton Dean stampfte das Libretto...

Vorschau und Impressum 4/23

Klangzauberer

Als junger Mann verachtete er die Oper. Doch seit Langem zählt Pascal Dusapin zu den führenden Komponisten des neuen  Musiktheaters. Seine hochexpressiven Werke, zuletzt «Macbeth Underworld» und «Il Viaggio, Dante», führen uns in die Tiefen und zu den Abgründen menschlicher Existenz. Ein Gespräch

Kosmopolitin

Als Studentin hat sie noch den großen Götz...