Anspruchsvoll
Man wundert sich. Man wundert sich über all die Häme und den hasserfüllten Zorn, der Frank Castorfs Inszenierung von Giuseppe Verdis «La forza del destino» an der Deutschen Oper Berlin entgegenschlug, über den emotionalen Furor dieser Ablehnung, der wirkt wie ein eingeschweißter Reflex, wie ein intrikates Ressentiment gegen diesen Regisseur, sein Denken, womöglich sogar seine Herkunft.
Man wundert sich darüber, weil die Arbeit, die Castorf hier – übrigens weitgehend im Einklang mit der musikalischen Interpretation durch den Dirigenten Jordi Bernàcer – vorgelegt hat, weder provokativ noch langweilig, geschweige denn überflüssig ist. Im Gegenteil.
Diese Inszenierung ist eine intelligible Denkübung. Sie verklammert auf anschauliche wie anspruchsvolle Weise die Triebkräfte des geschichtlichen Fortschreitens, nimmt dabei Anleihen bei Walter Benjamin ebenso wie bei Curzio Malaparte, Victor Hugo und, nota bene, bei Heiner Müller. Ja, Castorf hat Müllers Drama «Der Auftrag» schon einmal benutzt, vor einer halben Ewigkeit, in Anklam. Aber der Text wird dadurch nicht weniger brauchbar. Hier, in Verdis Kriegs- und Schicksalsdrama (man wählte die vieraktige Mailänder Fassung von 1869), ...
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Opernwelt November 2019
Rubrik: Panorama, Seite 39
von Jürgen Otten
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Alfredo Casella (1883-1947) war ein Hauptvertreter der so genannten «generazione dell’ottanta», die sich radikal von der spätromantischen Wagner-Nachfolge wie vom italienischen Verismo abwandte und die Zukunft der Musik in der Rückbesinnung auf die alten Formen, in einem bewussten Klassizismus sah. Im Musiktheater bedeutete das eine Abkehr von mythologischen und...
Was wohl der weise wie menschenkundige Doktor Marianus zu dieser Szene am Beginn des vierten Akts von «Les Indes galantes» anmerken würde? Er würde vermutlich schweigen, schmunzeln und sehr sanft sein Haupt schütteln. Denn rein gar nichts ist hier von jener reinen Minne zu spüren, die Marianus in der Bergschluchten-Szene aus Goethes «Faust II» besingt, von jener...
