Affekt und Schönklang

Göteborg: Händel: Alcina

Es ist ein gewaltiger Sprung, den sich Agneta Eichenholz mit ihrer Alcina zutraut: Von der Lulu, mit der sie vor knapp zwei Jahren an Covent Garden den internationalen Durchbruch feierte, zu Händels Zauberin zu wechseln, heißt vom Opfer zur Täterin werden, von der Kindfrau zum männerverzehrenden Vamp.

Dass die Schwedin auch das Format für die reife Femme fatale hat, wird bei ihrem Rollendebüt an Göteborgs Oper bald klar: Schon was die Expansionsfähigkeit ihres leicht metallischen Soprans angeht, ragt Eichenholz aus dem Ensemble und wächst mit ihren beiden großen Arien «Ah, mio cor» und «Ombre pallide» zu tragischem Heroinen-Format. Dass Eichenholz keine genuine Barock-Sängerin ist und beispielsweise ein Triller bei ihr kaum anders klingt als ein Vibrato, stört eher am Rande – eine spannungsvollere Artikulation des Textes, der mit Worten wie «tradito» und «schernito» schließlich dramatische Steilvorlagen en masse bietet, wird sich hoffentlich im Laufe der Aufführungen entwickeln.

Wie viele skandinavische Häuser versucht auch Göteborg, seine Produktionen mit heimischen Kräften zu besetzen. In Schweden funktioniert das angesichts einer ausgezeichneten Ausbildung, die immer wieder ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2011
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Jörg Königsdorf

Weitere Beiträge
Rühren oder Berühren?

Darf man als Interpret von Schuberts Wilhelm-Müller-Zyklen mit dem Müllersburschen oder dem Winterreisenden leiden? Matthias Goerne verwies in einem Interview im Zusammenhang mit Dietrich Fischer-Dieskau auf die «Angst vor der Instrumentalisierung der Gefühle» in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Manche verkehrten dies heute freilich ins Gegenteil, wobei...

Wie’s im Buche steht

«Es gibt Schriftsteller, die schon in zwanzig Seiten ausdrücken können, wozu ich manchmal sogar zwei Zeilen brauche», ätzte Karl Kraus. Jeder Schreibende mag sich bei dieser Attacke zunächst an die eigene Nase fassen. Doch nirgendwo passt sie treffender als auf die Autobiografien prominenter Mitbürger, wo Geschwätzigkeit oft als klug-charmante Plauderei verkauft...

Reales und Irreales

Nach dem großartigen «Lohengrin» zu Beginn der Spielzeit ging das Theater Regensburg mit «Die tote Stadt» erneut an seine Grenzen. Der Abend forderte alle Abteilungen und konnte in der Regie von Ernö Weil, die vorrangig Seelenzustände ausleuchtet, gänzlich überzeugen. Erneut ist die Leistung des Philharmonischen Orchesters unter Tetsuro Ban hervorzuheben, die das...