Zum Verweilen schön
Faust, ein Wrack. So drastisch-desolat Philipp Stölzl den alten Goethe-Zweifler auch hängen lässt – an den Rollstuhl gefesselt, verfangen in Tröpfen, Kanülen und Kathetern –, so konventionell verfährt er bei der Neuerarbeitung seiner Gounod-Inszenierung aus Basel (siehe OW 5/2008). Zumindest für hauptstädtische Verhältnisse. Emblematisch, also von Schlüsselbildern her konzipiert, sitzt Gretchen idyllisch auf einer Schaukel. Ein Heimchen am Hospitalsherd, wird sie von Stölzl offenbar als eine Art Krankenschwester der deutschen Seele interpretiert (und da ist ja was dran).
Der Chor ist als Masse pittoresker Hummel-Figuren maskiert: als teutonischer Porzellan-Nippes. Im dritten Akt schneit’s.
Aber Stölzl findet hier eine Besetzung vor, um derentwillen eine Neuansicht seiner Arbeit lohnt. Krassimira Stoyanova absolviert ihr reichlich verspätetes Berliner Premieren-Debüt und singt die Rolle der unschuldig-schuldigen Samariterin mit lyrisch glühendem und blutendem Herzenssopran. Ihre Juwelenarie «Ah! je ris» gehört gesanglich zum Schönsten, was an der Deutschen Oper zu hören war, seit Julia Varady dort nicht mehr singt. In der Kunst der dynamischen Feinstabstufung liefert Stoyanova ein ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt August 2015
Rubrik: Panorama, Seite 37
von Kai Luehrs-Kaiser
Der Himmel ist blau, Möwen ziehen schräg durchs Blickfeld, eine Frühsommerbrise weht über das Ij, die Binnenalster von Amsterdam. Du liegst am Kai in einem blendend weißen Bett, neben dir eine sommersprossige Schöne, die dir Geschichten ins Ohr raunt ‒ von Kindern, die nachts aufwachen und ihre Eltern suchen, von der Hoffnung auf Glück und der notwendigen...
Vorbei, ihr herrlichen Fluxus-Tage! Als Charlotte Moorman noch nackt ihr rosarotes Eis-Cello in vielen Stunden zergeigte. Als Joseph Beuys in ranziger Butter schwelgte und Yoko Ono im Rhythmus eigener Kompositionen mit dem Kopf auf den Bühnenboden schlug: Das war einmal. Zurückgeblieben ist die Sehnsucht nach Happenings, die ebenso provokativ wie witzig, politisch...
«Liebe kann göttlich sein. Aber kein Gott kann den Menschen die Liebe bringen.» Der Agnostiker und Regisseur Hans Neuenfels spricht über sein Religionsdefizit im Magazin der Berliner der Staatsoper. Und seine Ariadne bleibt auf der Insel Naxos ungetröstet allein mit sich und der flitterhaften Zerbinetta-Truppe, ratlos und gottlos im Wahn, einsam bis zum in dieser...