Zimmer mit Aussicht
Gleich vielen Figuren in den Dramen von Tschechow kommt auch Tschaikowskys Tatjana das landadelige Leben mit seinen bescheidenen Abwechslungen allzu unaufgeregt vor. Die junge Frau flüchtet sich daher in die Welt der Dichtung; für Mutter und Schwester sowie den langweiligen Alltag um sie herum erübrigt sie kaum einen Seitenblick. Da ist es kein Wunder, wenn eines Tages einer der Romanhelden «tatsächlich» vor ihr erscheint.
Laurent Pelly schildert die Ereignisse in Brüssel aus Tatjanas Sicht.
Für den französischen Regisseur ist sie zunächst nichts als eine kaum dem Mädchenalter entwachsene Frau; ihre Brief-Arie wähnt Pelly gleichsam von Salonmusik inspiriert. Doch ist «Eugen Onegin» kein Werk, das den Adel mit sentimentalen Romanzen etwa in der Manier Paolo Tostis beliefert; unter der Oberfläche der idolsüchtigen Tatjana erschließt Tschaikowsky einige musikalische Tiefendimensionen. Von hier aus weitet sich der Horizont zu allgemeinmenschlichen Leidenschaften. Freilich bedarf es eines gewissen materiellen Komforts, um diese ausleben zu können. Deswegen bleibt bei Pelly das Werk im zaristischen Russland situiert. Tatjana frönt dort ihren Sehnsüchten, Onegin jenem grenzenlosen Ennui, ...
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Opernwelt März 2023
Rubrik: Panorama, Seite 56
von Michael Kaminski
Ein Mann will Sex – und holt es sich von vielen.
Mal hier, mal da, es zählt mit: Leporello,
Der selbst kein Bock mehr hat, hier mitzuspielen:
«Ach ja, so ist’s nun mal, ich bin dein Fellow.»
Am Anfang stirbt der Vater Donna Annas.
Erdolcht von ihm, dem alten Schürzenjäger.
Am schönsten sang die Anna, klar: die Callas!
Doch: Wo kein Richter ist, da auch kein...
Lachen oder weinen, quasi – bei schrägen Polkas, Walzern und Galopptiraden – innerlich mittanzen oder das Ganze politisch «kritisch» verstehen und dementsprechend für sich interpretieren? Diese Fragen, die als wesentliche (und ja nach wie vor spannungsvolle) ästhetische Ambivalenzen auf die Dichotomie der Rezeption von Dmitri Schostakowitschs Musik abzielen, kommen...
Leo Blech wurde 1871 in Aachen geboren. Nicht von ungefähr haben sich also das Theater Aachen und das Aachener Sinfonieorchester unter Christopher Ward die Wiederentdeckung des berühmten Stadtsohns auf die Fahnen geschrieben. Bis 1937 war Blech Ehrenmitglied des altehrwürdigen Stadttheaters; Karriere machte er während dieser Zeit in Prag und Berlin freilich vor...