Das Leiden dieser Welt
Roms Glaube ohne Worte!» wollte Friedrich Nietzsche in Richard Wagners «Parsifal» gehört haben, nachdem er vom Verehrer zum Intimfeind des Bayreuther Meisters mutiert war und auf dessen kunstreligiöse Anwandlungen nebst Keuschheitsethik nur mehr mit Bissigkeit antworten konnte.
Um die böse Sentenz des Philosophen bloß nicht zu bestätigen, tilgt Michael Thalheimer in seiner Genfer Neuinszenierung nun jeglichen visuellen Anklang ans Sakrale: Die Gralsritter praktizieren kein Abendmahl, Gurnemanz salbt seinem Schützling Parsifal weder Füße noch Haupt, der gereifte reine Tor verwandelt die Jüdin Kundry nicht via Taufe zur Christin. Diese Kunst des Weglassens passt perfekt zum Image des Regisseurs als Experte der radikalen Reduktion. Selbst Requisiten gibt es kaum. Nur der Speer des Amfortas, den ihm Klingsor einst entwand, taucht im zweiten Aufzug auf, hier dann als einzige neue Zutat auch eine Pistole, die Kundry mit sich führt, um ihren Peiniger in den letzten Takten des Akts ins Jenseits zu befördern. Streng abstrahiert taucht im Bühnenbild von Henrik Ahr dann doch das Kreuz auf, sowohl in den hellen Mauern der Gralsburg als auch in der pervertierten Variante schwarzer Quader im ...
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Opernwelt März 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Peter Krause
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