Widerborstig
Unter den Töchtern Vincenzo Bellinis gilt sie als die unscheinbarste. Weder besitzt sie die Anmut einer Amina, Bianca oder Elvira, noch den Zauber einer Zaira oder Agnese (Kosename: Alaide); auch eignet ihr kaum das (sich ins Tragische wendende) jugendliche Unbekümmerte Giuliettas, die Sanftmut einer Imogene oder das Flammend-Heroische der schönen Norma. Beatrice di Tenda sitzt, obschon blaublütig, leicht abseits des erlauchten Schwesternkreises am Katzentisch – einsam, kaum beachtet und sogar ein wenig aschenputtelig, nur leider ohne den Charme einer Prinzessin. Ein Stiefkind.
Die Gründe liegen auf der Hand oder besser: im Werk selbst. Bellinis vorletzte Oper fußt nicht nur auf einem dramaturgisch lückenreichen Libretto (sein Verfasser, der hochmögende Felice Romani, nannte es selbstkritisch ein «Fragment»), sie reicht auch kaum heran an den melodischen Reichtum der Vorgängerwerke «La sonnambula» und «Norma»; zumal das mystische Feuer des Letzteren vermochte der Komponist nicht mehr in gleichem Maße zu entfachen: Bei der Uraufführung am 16. März 1833 gab es sogar «Norma»-Rufe von der Galerie – woran auch die Primadonna assoluta Giuditta Pasta, die als Priesterin wahre Jubelstürme ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt April 2024
Rubrik: Panorama, Seite 57
von Jürgen Otten
Auf Gottes Geheiß soll ein alternder Vater seinen Sohn opfern. Alttestamentarische Wucht und Gewalt eines strafenden Gottes mag man mit dem unbarmherzigen Gebot assoziieren. Doch es ist die noch viel weiter zurückreichende Macht des Schicksals der griechischen Antike, die in Mozarts jugendfrisch-kühnem Geniestreich von 1781 zunächst noch einmal beschworen wird. In...
Reuß-Schleiz-Greiz heißt das deutsche Duodezfürstentum in der Operette «Wiener Blut». Dass es keineswegs fiktiv ist, weiß eine größere Öffentlichkeit allerdings erst, seit ein Nachfahre des dortigen Herrschergeschlechts der Reußen vor eineinhalb Jahren bei den «Reichsbürgern» mitgeputscht hat. Wie sämtliche männlichen Mitglieder der Dynastie heißt er Heinrich, ist...
Freunde wurden sie nie. Dafür waren sie zu unterschiedlich, sowohl was ihre persönlichen wie ästhetischen Vorlieben und ihre Weltanschauung, als auch was ihr Naturell betraf. Sichtbar wird diese Differenz nicht nur auf den Gemälden, die Oskar Kokoschka von ihnen anfertigte, sondern sogar anhand der Totenmasken, die den einen, Kraus, als friedlich-sanft...