War Mozart eine Frau?
Glaubt man Herbert Grönemeyer, sind Männer vieles, vor allem aber eines: unersetzlich. Das kann man so sehen oder auch nicht. Tatsache aber, dass es in der Geschichte der Menschheit in erster Linie die Vertreter des vermeintlich «starken» Geschlechts waren, die Kriege führten, Massaker verübten und sich, milde ausgedrückt, auch an zahllosen Frauen in einer Weise vergriffen, die man selbst mit einem relativ hohen Humorpegel nicht anders als abscheulich bezeichnen darf.
Männer sind vielleicht nicht die schlechteren Menschen, weil alle Menschen so sind, wie sie sind, aber blickt man zurück, fällt eines auf: An oberster Stelle standen immer sie – in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur. Und so eben auch in der Musik.
Nun ist es keineswegs so, dass sich daran nicht allmählich etwas ändern würde. Doch der prominenteste Fall der jüngeren Vergangenheit, der Fall des Dirigenten François-Xavier Roth (für all jene, die sich nicht mehr erinnern wollen oder können: Der Herr verschickte per SMS Photos seines Gemächts und das vorzugsweise an Musikerinnen von Orchestern, die er anleitete), hat wieder einmal gezeigt, für wie «unersetzlich» sich Männer selbst empfinden. Gott bewahre, nicht alle sind so. Doch eines kann und muss man leider konstatieren: Sie sind es, die Geschichte schreiben. Und dazu gehört auch die Musikgeschichte.
Dem kann Abhilfe geschaffen werden. Aliette de Laleu heißt die junge, kluge und forsche Frau, deren 2022 erschienenes Buch «Mozart était un femme. Histoire de la musique au féminin» nun auch in deutscher Übertragung vorliegt. Der Titel ist weit weniger poetisch, will sagen: typisch teutonisch («Komponistinnen – Frauen, Töne & Meisterwerke»), der Inhalt aber der gleiche. Und nichts Geringeres versucht die französische Musikwissenschaftlerin und Journalistin, als den Herren, die bislang für die Musikgeschichtsschreibung zuständig waren, mal mächtig auf die Finger zu klopfen. Laleu holt weit aus. Sie beginnt mit der Muse und «Hure» Sappho, wendet sich dann der weithin unbekannten Kassia von Konstantinopel zu, um schließlich, beginnend mit Hildegard von Bingen, einen weiten Bogen vom Mittelalter bis in die Jetztzeit zu schlagen. Das alles ist überaus wissenswert und dazu pointiert geschrieben – Laleus Streitschrift bietet einen hohen Unterhaltungswert. Allerdings übertreibt es die Autorin dann doch da und dort. Sich auf eine Studie stützend, wagt sie zu fragen, ob nicht vielleicht Anna Magdalena Bach die Urheberin der Solo-Suiten für Violoncello von Johann Sebastian Bach gewesen sein könnte. Wohlan, das ist zwar couragiert gedacht, entspricht aber kaum den historischen Tatsachen. Bachs zweite Ehefrau war, über ihr anstrengendes Mutter-Sein hinaus, eine belesene Frau. Eine Komponistin jenes Rangs, den wir Bach zumessen, war sie nicht.
Es ist nicht der einzige Lapsus, der Laleu unterläuft. Auch die ironische Frage, ob Mozart nicht vielleicht doch eine Frau war (hinter der sich die Vermutung versteckt, das Nannerl habe vielleicht einige jener Werke geschrieben, die aber nachweislich aus der Feder des Genies stammen), ist letztlich absurd, genauso absurd übrigens, wie der von der Autorin intendierte Vergleich des Genies mit den Kollegen Étienne Nicolas Méhul, François-Joseph Gossec oder André-Ernest-Modeste Grétry. Ärger noch ist die mehrfach wiederholte Unterstellung, ganze Jahrhunderte seien misogyn gewesen, beziehungsweise: die Männer, die während dieser Zeit(en) herrschten. Ja, Männer sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Macht innehaben. Doch denkt man im Stillen nur an drei in dieser Kunst bewanderte Vertreterinnen des «schwachen» Geschlechts, beschleichen auch die Zeitgenossin Zweifel: Maria Theresia, Katharina II. und Margaret Thatcher waren Frauen. Vielleicht sollte man damit aufhören, weitere Gräben zu schaufeln. Und stattdessen einfach den Wert eines jeden Kunstwerks überprüfen, unabhängig davon, ob es von einer Frau oder von einem Mann stammt.

Opernwelt Januar 2025
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Virginie Germstein
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