Viele Bauer, und doch kein Vogel

Stockhausens «Originale» – wiederaufgegriffen beim «Infektion!»-Festival der Berliner Staatsoper

Opernwelt - Logo

Vorbei, ihr herrlichen Fluxus-Tage! Als Charlotte Moorman noch nackt ihr rosarotes Eis-Cello in vielen Stunden zergeigte. Als Joseph Beuys in ranziger Butter schwelgte und Yoko Ono im Rhythmus eigener Kompositionen mit dem Kopf auf den Bühnenboden schlug: Das war einmal. Zurückgeblieben ist die Sehnsucht nach Happenings, die ebenso provokativ wie witzig, politisch hellsichtig wie tabubrüchig waren.

Auch die Dramaturgen der Berliner Staatsoper, die am Schluss der Spielzeit mit «Infektion!» alljährlich eine Spielwiese der neuen Musik bepflanzen dürfen, müssen sentimental daran zurückgedacht haben.

Also setzten sie Karlheinz Stockhausens «Originale» an, um ein Musikalisches Theater zu exhumieren, in dem bei der Kölner Uraufführung 1961 reale Zuschauer wie zufällig in musikalische Aktionen verwickelt wurden. Der Widerstand des Publikums, so berichten Kritiken von damals, war geplanter Teil der Komposition.

In der Werkstatt des Schiller Theaters begegnet das Publikum einer entgrenzten sozialen Plastik aus Sängern, Schauspielern, Aktionsmusikern, einem Maler und einem Dichter. In Gestalt des 85-jährigen Gerhard Rühm, der vier seiner Gedichte liest, spielt ein Autor mit, der zum Zeitpunkt ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2015
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Kai Luehrs-Kaiser

Weitere Beiträge
Der letzte Tag

Den Haag, 1966. Eben war Vincenzo Bellinis Romeo-und-Julia-Variante «I Capuleti e i Montecchi» an der Scala neu herausgekommen. Nun wurde die Aufführung zu einer Attraktion des Holland Festivals. Und das auch wegen der jungen und selbst Insider-Kreisen noch kaum bekannten Interpreten: Jaume Aragall als Romeo, Luciano Pavarotti als sein Rivale Tebaldo und am Pult...

Fern tümelnder Romantik

Wunderbar, wie in der Ouvertüre die Soloklarinette als jäh aufschießende Flamme die Allegro-Erregungen des Orchestertuttis durchbrach, an Klangmacht der impetuösesten Trompete nicht nachstehend und doch so viel verwandter einer transzendierten Menschenstimme. Auch die Hörnergruppe des Staatsorchesters, leicht aufgeraut und virtuos eloquent, hatte unter der...

Letzte Dinge

Schmal ist er geworden, mit zwei Krücken tastet er sich auf die Bühne. Bei der Grazer STYRIARTE etwas absagen, das kam für Nikolaus Harnoncourt bislang nicht infrage. Dieses Jahr ist es zum Start passiert. Doch bei Beethovens «Missa solemnis» hat der 85-Jährige noch viel mitzuteilen und wagt dies erstmals mit dem Concentus Musicus. Die Aufführung erschüttert, weil...