Verliebt in sich selbst
Er war der Marktführer im Opernbetrieb der Belle Époque. Die Häuser rissen sich um seine Stücke. Denn Jules Massenet hatte ein feines Gespür für die unlauteren Seh(n)süchte der Bourgeoisie – für eben jene von der Konvention eingehegte Lust auf emotional-erotische Verausgabung, die das Paradies verheißt, doch meist ins Verderben führt. Mit der 1884 an der Opéra Comique uraufgeführten «Manon» hatte er das Bedürfnis nach klangvoll-wohligen Gefühlsschauern exemplarisch bedient – und so die Nachfrage gehörig angeheizt.
Massenet reagierte mit der Verarbeitung eines Stoffes, der wegen seiner teutonischen Herkunft zwar nicht sofort einschlug – die (deutschsprachige) Premiere fand 1892 in Wien statt, ein Jahr vor der Pariser Erstaufführung der französischen Originalfassung –, der Vorliebe des saturierten Bürgertums für den Kitzel kompromissloser, ja todseliger Entäußerung aber doch entsprach: mit einem Vierakter nach Goethes «Leiden des jungen Werther».
Das von Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann verfasste Libretto hat mit der Vorlage freilich nur noch entfernt zu tun: Die Gewichte sind im Interesse griffiger Bühnenaktion verschoben – vom inneren Erleben des tragischen Helden ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Albrecht Thiemann
Nebel in dichten Schwaden. Von den Seitenbühnen, im Zuschauerraum. Im roten, grünen und blauen Gegenlicht wird das wabernde Trockeneis zu einem unergründlichen Ozean, in dem sich die Umrisse von drei Gestalten abzeichnen: Es könnte der Beginn einer «Rheingold»-Inszenierung sein. War es im Grunde auch. Ganz ähnlich hatte es 1988 im Bayreuther Festspielhaus begonnen....
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