Lust und Kontrolle
Galant, taktvoll sind solche PR-Jubiläen ja weniger. Zwei Jahrzehnte liegt die CD-Großtat zurück, ganze drei die Unterschrift unter dem Exklusivvertrag mit dem Label – wer mag da nicht gleich Altersberechnungen anstellen? Cecilia Bartoli kümmert das mutmaßlich wenig, weil man es ihr vor allem nicht anhört. «The Vivaldi Album» elektrisierte 1999 die Musikwelt und führte dem Normalkonsumenten (inklusive neugierig gewordener Intendanten) vor, dass es da noch Wildes, Überrumpelndes jenseits des Händel-Kosmos gibt.
Eine verrückte Platte, auf der Zärtelndes unterbrochen wurde durch eine Verbindung von Koloraturen-Feuerwerk und Konsonanten-Gewitter. Al dente und auf Angriff musizierten Il Giardino Armonico und trieben la Diva in den Vokalwahnwitz.
Jetzt, auf ihrem zweiten Vivaldi-Album, präsentiert sich die Künstlerin eine Spur anders. Die zehn Arien (zusammengerechnet nur eine knappe Stunde) sind neu in ihrem Portfolio. Sie führen zwar die bekannten Fertigkeiten vor, sind aber intimer, nach innen gerichtet, oft reinste Opernkammermusik. Was auch daran liegt, dass Jean-Christophe Spinosi mit dem Ensemble Matheus filigraner, delikater unterwegs ist als seinerzeit Giovanni Antonini. ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 23
von Markus Thiel
Karl Kraus’ hintersinnige Pointierung des Wortes «Familienbande» trifft auch auf Antonio Vivaldis Oper «La verità in cimento» zu, die jetzt den 13. «Winter in Schwetzingen» eröffnete. Sieben Jahre hatte der Heidelberger Operndirektor Heribert Germeshausen im Rokokotheater in einem spannenden Gang durch die Geschichte die Entwicklung der neapolitanischen Seria...
Die Zeit ist aus den Fugen. Schreckliches werde geschehen, greint Herodes, wobei die Honigschicht der Jovialität, um die er sich ohnehin zumeist vergeblich müht, endgültig abtropft. Es geht um seine Stieftochter Salome, die verzogene Göre mit erotischem Appeal, die für erwiesene Gunstleistungen, Tanz et cetera, partout den Kopf des eingekerkerten Propheten fordert....
Am Anfang war der Kuss. Innig umschlungen stehen eine Frau und ein Mann in der Bühnenmitte, liebkosen sich mit der Zärtlichkeit des ersten Mals und wollen selbst dann nicht voneinander lassen, als das aus dem Raunen der Kontrabässe sich entwickelnde, initiale Es-Dur anschwillt zum Wagner’schen Klangstrom, der vom Werden der Welt kündet. «Weia! Waga! Woge du Welle»...