Verführerisch gut

Kate Lindsey verkörpert Tyrannen-Rollen bei Monteverdi, Händel, Alessandro Scarlatti und Bartolomeo Monari

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Die größten Tyrannen finden wir bei William Shakespeare. Leontes, von Eifersucht zerfressen, Richard III., der Fieseste von allen, ferner einige der Heinrichs, Claudius, Julius Caesar, Titus Andronicus. Sie alle zeichnet ein untrüglicher Hang zum Sadismus aus, der unbeugsame Wille zur uneingeschränkten Ausübung ihrer Macht, und sei es gegen jede humane Vernunft und wider die Erkenntnis, dass auch ein jeder König, und nicht nur Lear, die Tragödie seiner zwei Körper erleben wird.

Den vermutlich schlimmsten Unhold aber hat Shakespeare außen vor gelassen: Nero, Roms diabolisch-dämonischen und, nun ja, geistesgestörten Herrscher. Dem aber hatte zuvor bereits der römische Geschichtsschreiber Sueton ein Denkmal gesetzt, welches wiederum zur Quelle für zahlreiche Komponisten der Renaissance wurde, unter anderem für Claudio Monteverdi.

Kate Lindsey hat die Rolle des Nerone in dessen «L’incoronazione di Poppea» schon in Jan Lauwers’ Inszenierung bei den Salzburger Festspielen 2019 mit Grandezza verkörpert, noch auf der dort entstandenen Aufnahme kann man die ungeheure Präsenz spüren, die dieser Sängerin eignet. Und auch auf ihrem neuesten, dramaturgisch durchdachten Album mit dem ...

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Opernwelt August 2021
Rubrik: CD des Monats, Seite 19
von Jürgen Otten

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