Neu entdeckt
In ihrem gerade erschienen Band «Auch morgen. Politische Texte» geht die Schriftstellerin Nora Bossong der Verführung durch das Böse auf den Grund ‒ und führt den Joker aus den «Batman»-Filmen als Musterbeispiel für die psychopathisch grinsende Anarchie des Bösen an.
Dagegen erscheint ihr Goethes Mephisto weit harmloser, eher ein Vertreter höfischer Diplomatie als des modernen Vernichtungskriegs: «Das Goethesche Böse ist Verführung und zynischer Witz, ist eine Wette auf die Freiheit, aber nicht auf das Chaos, und man spürt hinter allem noch die sichere Ordnung, als fände selbst die Walpurgisnacht im Lesesaal einer humanistischen Bibliothek statt.»
In Johannes Eraths Kölner Inszenierung von Gounods «Faust» findet die Walpurgisnacht zwar nicht in einer Bibliothek, sondern in einer Art Frontlazarett oder Irrenhaus statt. Das Böse aber ist auch hier, auf der Bühne des Staatenhauses, keine wirkliche Bedrohung der Ordnung durch das Chaos. Méphistophélès gibt wieder einmal den trickreichen Taschenspieler ohne wirkliche Abgründe. Samuel Youn singt ihn mit kantiger, auch verführerischer Bassgewalt ‒ spielt ihn aber weitgehend als Charge, die keine Gelegenheit versäumt, sich eine Kippe ...
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Opernwelt August 2021
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Michael Struck-Schloen
Der von der Pariser Weltausstellung 1889 ausgehende Russland-Boom, der bald das ganze westliche Europa erfasste, blieb auch in der Oper nicht ohne Folgen. Insbesondere die Vertreter der Giovane Scuola erkannten in dieser «exotischen» Welt, wie sie in den Romanen Tolstois und Dostojewskis aufschien, eine Möglichkeit, ihre musikalische Palette um reizvolle Farben zu...
Zwangsherrschaft à la Scarpia ist ohne kirchlichen Segen nicht denkbar, die unheilvolle Allianz von politischer und religiöser Unterdrückung mündet geradewegs in eine mit sexuellen Obsessionen angefüllte Folterkammer – wie jenen kurzlebigen faschistischen Reststaat von Salò, den wir aus Pier Paolo Pasolinis Film «Die 120 Tage von Sodom» kennen.
Das jedenfalls ist...
In Wien sind das Volkstümliche und das Elitäre, das Heitere und der Ernst in der Literatur wie in der Musik seit jeher nie ganz getrennte Wege gegangen – und das noch in der jüngsten Vergangenheit, wie die Namen von Georg Kreisler und Helmut Qualtinger, Friedrich Gulda und Gerhard Rühm, Kurt Schwertsik und Otto M. Zykan, H. C. Artmann und Ernst Jandl signalisieren....