Bumm, bumm!

J. Strauss: Der «Zigeuner»baron
BERLIN | KOMISCHE OPER

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«Alle maskiert, alle maskiert, wo Spaß und Tollheit und Lust regiert!» Wer sich in den Foyers und im Saal der Komischen Oper umschaut, muss an Johann Strauss’ «Eine Nacht in Venedig» denken. Über die Bühne geht dann aber ein anderes Werk des Walzerkönigs: «Der ‹Zigeuner›baron», wie er hier heißt. Die 100- Minuten-Fassung von Tobias Kratzer ist nicht nur Corona-konform knapp und pausenlos, sondern reflektiert zudem, dass es 2021 eigentlich unmöglich ist, noch das Z-Wort auszusprechen.

Der Regisseur hatte sich ausdrücklich gewünscht, den 1885 uraufgeführten Operettenklassiker inszenieren zu dürfen. Und Intendant Barrie Kosky stimmte zu, im Vertrauen darauf, Kratzer würde mehr einfallen als nur eine Verschiebung der Anführungsstriche. Seine Grundidee besteht darin, die Geschichte «aus der Perspektive der reaktionärsten Figur des Stücks» zu erzählen. Graf Homonay klammert sich verzweifelt an «die alte Ordnung» der Donaumonarchie und hört deshalb Schellackplatten auf einem Grammofon, während er ein Zigeunerschnitzel vertilgt.

Die im Libretto angegebene Zeit der Handlung («Mitte des 18. Jahrhunderts») ist deutlich nach vorne verschoben, bis kurz vor den Beginn des Ersten Weltkriegs. ...

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Opernwelt August 2021
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Frederik Hanssen

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