Foto: Monika Rittershaus

Untrennbar abgewandt

Claus Guth erzählt Mozarts «La clemenza di Tito» in Glyndebourne als Geschichte einer Kindheitsfreundschaft, Robin Ticciati sucht in der späten Seria vor allem die leisen Töne

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Zwei Knaben in Kniehosen jagen durchs Schilf. Erklimmen einen Baum, balancieren durchs sumpfige Gelände. In dem Film, mit dem Claus Guth seine «Clemenza»-Inszenierung angereichert hat, erkennen wir das linke Ufer von Glyndebournes Seerosenteich samt den dahinterliegenden Hügeln – und in den Jungs Tito und Sesto. Ihre Kindheitsfreundschaft, die Sesto nach dem gescheiterten Anschlag auf Tito mit seinem Rondo beschwört («Te ricorda il primo amor»), ist für Guth der Schlüssel zu Mozarts Seria.

Freiheit, Wildheit, Abenteuer: Dazu gehört, das macht das Video deutlich, auch die Lust an Gewalt. Wir sehen eine Schleuder, die gespannt wird; eine Flasche, die zerspringt; eine tote Elster mit Blutfleck auf dem Brustgefieder. Das kindische Entsetzen über die Folgen des gedankenlos begangenen Tiermordes gleicht der des erwachsenen Sesto nach seiner Liebesuntat. Trotzdem bleibt das Band zwischen den Knaben das Maß, an dem Tito sein Kaiserleben misst – eine Existenz, die ihn zwingt, sich jeden persönlichen Wunsch zu versagen. Wie die Bilanz ausfällt, wird an der von Guths Langzeitpartner Christian Schmidt entworfenen Behausung deutlich. Der Kaiser bewohnt einen schwarzen Bungalow im ...

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Opernwelt September/Oktober 2017
Rubrik: Im Focus, Seite 34
von Wiebke Roloff

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