Unentschieden

Massenet: Werther am Theater Heidelberg

Opernwelt - Logo

Im Kabinett der Frauenfiguren Massenets wirkt sie beinahe wie ein Mauerblümchen. Aber das ist angesichts der Konkurrenz nur zu verständlich, wirft man im Geiste einen Blick auf Thaïs, die frömmelnd-verführerische Kurti -sane, auf das mondäne Gespann Cléopatra und Roma, die geheimnisumwitterte Hérodiade oder auf Ariane, mythisch angehauchte Schwester des Wein- und Ekstasegottes Bacchus. Einzig in der milden Manon besitzt Charlotte eine Seelenverwandte, was wiederum wenig verwundert, sind beide doch Schöpfungen Goethes.

Folglich trägt auch jenes Drame lyrique, in dessen Zentrum die Tochter des verwitweten Amtmanns steht, nicht ihren Namen. Der melancholische Werther gab der Oper ihren Namen, das akzeptierte auch Massenet. Was ihn jedoch etwas verdrießlich stimmen musste, war die Tatsache, dass «Werther» (auf ein Libretto von Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann) seine Uraufführung am 16. Februar 1892 an der Wiener Hofoper in Gestalt eines bidirektionalen Transfers erlebte – von der originalen teutonischen Dichtung führte der Weg über eine 150-jährige Rezeption der Dramen Goethes in Mariannes Land bis zum genuin französischen Bühnenwerk zur deutschsprachigen Taufhebung.

Ja ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt März 2025
Rubrik: Panorama, Seite 47
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Freiheit, die ich meine

Die Einschätzung stammt aus berufenem Munde. Dieter Schnebel war Anfang der 1990er-Jahre der Lehrer von Michael Wertmüller, und was er, ein Dezennium später, wortreich wie bildmächtig zu Protokoll gab, darf mit winzigen sich verändernden Nuancen auch noch heute für den Schweizer Komponisten gelten: Dessen Musik, so Schnebel, sei «einerseits von roher Kraft,...

Dunkle Brillanz

Erotik als strafbares Mysterium, der sündhafte Mensch unter der Knute Gottes, und das weltberühmte Schmerzensmal eines queeren Komponisten: Dieses Konzert der Berliner Philharmoniker vereinte emotionale und spirituelle Rammböcke. Samuel Barbers «Adagio for Strings» und Sofia Gubaidulinas 2020 unter Oksana Lyniv in Wien uraufgeführtes Orchesterwerk «Der Zorn Gottes»...

Erlösung bietet allein der Tod

Der Augenblick der Seligkeit, er währt nur wenige entrückte Minuten. Wie ein mondbeschienener Liebestraum in Ges mutet dieses Andantino non troppo lento im wiegenden 6/8-Takt an, in dem Anna Brull (als stimmlich wie darstellerisch exquisite Königin von Karthago) und Iurie Ciobanu (als glaubhaft mit sich und den Umständen ringender trojanischer Krieger) innig...