Und das Lied verstummt nicht
Die Musik Lateinamerikas ist seit der Ankunft der europäischen Eroberer ein Schmelztiegel unterschiedlichster Einflüsse. Der postkoloniale Diskurs versteht Kulturtransfer dabei überwiegend als «kulturelle Aneignung». Diese Kritik an als dominant bezeichneten Kulturen, die sich kulturelle Errungenschaften von Minderheiten aneignen, verweist auf den unbestreitbaren Gewaltzusammenhang von Eroberungen. Dass die Geschichte ungleich komplexer ist, lehrt Lothar Krafts Buch «Lasst nicht zu, dass unser Lied verstummt», das voll ist mit verblüffenden Zusammenhängen.
Kraft spürt den Verbindungen von europäischer Musik mit den vorgefundenen Traditionen in Lateinamerika nach und zählt zahllose Beispiele hybrider Musikkultur auf, die sogenannte «musica mestiza», verkörpert etwa durch den 1945 geborenen Kolumbianer Francisco Zumaque. Sein Werk reicht vom klassisch inspirierten Streichquartett bis hin zu «Colombia Caribe», der Nationalhymne für die kolumbianische Fußballnationalmannschaft.
Das umfassendste Kapitel («Musik und Gesellschaft in Brasilien») schildert, wie im Jahr 1500 die Portugiesen das Land betraten und in Porto Seguro gleich eine erste Messe feierten. Anwesend waren 1200 Europäer ...
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Opernwelt Mai 2024
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 34
von Regine Müller
Wolfgang Rihms Musiktheater «Die Hamletmaschine», 1987 in Mannheim uraufgeführt, hat immer Respekt erfahren, aber dazwischen verging jedes Mal sehr viel Zeit. Geradezu enigmatisch ist Heiner Müllers Textvorlage, immens der Aufwand. Nur wer zu beidem bereit ist – großen Aufwand für unlösbare Rätsel zu betreiben –, hat etwas davon. Zum Beispiel das Staatstheater...
Selbst Enthusiasten Neuer Musik horchen beim Namen von Reinhard Febel nicht sofort auf. Der in Metzingen geborene, bei Klaus Huber sowie am Pariser Elektronik-Studio IRCAM ausgebildete Komponist wirkte lange als Professor am Salzburger Mozarteum. Neben vielen orchestralen und vokalen Werken gab es immer wieder mal ein Musiktheater, meist an literarischen Stoffen...
Eine singuläre, ebenso bizarre wie tiefgründige Schöpfung sei der «Faust», schrieb 1826 Jean Jacques Ampère, der Sohn des berühmten Physikers, in «Le Globe», dem Pariser Intelligenzblatt, das sich als Propagandainstrument des Romantisme verstand. Man finde in Goethes Dichtung «Modelle aller Stile, von der grobschlächtigsten Komödie bis zur erhabensten Poesie; ein...