Über allen Gipfeln keine Ruh'
Dort, wo sich viele «Tristan»-Aufführungen szenisch ziehen, im dritten Akt beim großen Fiebermonolog des Titel-Antihelden, wird es diesmal spannend. Wir erleben nicht nur einen Tenor, der mit seiner Partie ringt, sondern sehen – in diffuses Rot getaucht – Tristan als Kind. In einer Mischung aus Uterus und Dante’schem Fegefeuer wird schlagartig das Trauma dieser Vollwaise deutlich. Plötzlich wirken eingeblendete Naturbilder von schwarzen, engstehenden Baumstämmen plausibel, verkehrt sich die Außen- in eine Innenperspektive, verschwimmen die Zeitebenen.
Tristans Angst wird als Todessehnsucht regelrecht sichtbar. Dieser Mensch, der die Wunden seiner Kindheit in sich trägt, kann gar nicht anders, als sich mit allem, was er tut, gegen sich selbst zu richten. Endlich – es ist ja spät am Abend – finden die aus Videos, gebauten Räumen und Licht zusammenkomponierten Szenenbilder im Baden-Badener Festspielhaus zu einer schlüssigen Grammatik. Für ein paar Minuten bekommen der polnische Regisseur Mariusz Trelinski und sein Team das Stück in den Griff.
Zwei Akte lang hatten sie versucht, «Tristan und Isolde» auf die Realität eines Kriegsschiffes herunterzubrechen und der von Wagner ...
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Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Stephan Mösch
Das also ist das Elysium. Diese knallbunte Skulptur, die ein bisschen nach kunstvoll zusammengedrückten Pappstreifen aussieht. Ein Dichterhimmel wohl: Choristen lümmeln darauf, durch Sonnenbrillen lesend. Sonst sieht nicht viel nach Star-Architektur aus im neuen «Orfeo» der Berliner Staatsoper – und das ist auch besser so. Nichts gegen das Gefältel. Aber sollte ein...
Ein «symphonisches Drama» hat Satie seine 30-minütige Kantate über die letzten Tage des Sokrates genannt. Man kann diesen Wink nur als Witz verstehen, als sarkastischen Seitenhieb auf Berlioz und seine Programmsinfonik. Denn das 1917 und 1918, zur Hochzeit des dadaistischen Sturms auf die bürgerliche Hochkultur, im Auftrag einer lesbischen Prinzessin entstandene...
Gestern haben wir uns ein Musical angesehen. Von mir aus wär ich wohl kaum hingegangen, aber eine Freundin hat da mitgemacht. Versteht sich von selbst, dass wir nachher auch hinter die Bühne sind, um ihr vorzuschwärmen, wie sehr wir den Abend genossen hätten. Dabei war’s schrecklich. Einfach grauenhaft – zu lang, zu platt, zu schlecht gemacht. Ich wusste es, die...
