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Richard Hickox’ Plädoyer für Lennox Berkeleys Kammeroper «Ruth»

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«Seichte Muse und neue Heimat» – unter diesem Motto bilanziert Ulrich Schreiber die britische Oper des 20. Jahrhunderts im unlängst erschienenen vierten Band seiner monumentalen Geschichte des Musiktheaters. In der Tat: Die Suche nach einer seit den Tagen Blows und Purcells verloren geglaubten nationalen musikalischen Identität sowie ein auch Sentimentalitäten nicht scheuendes Beharren auf der Tragfähigkeit des Prinzips Tonalität markieren jenen Sonderweg, auf dem sich nach 1900 – Ausnahmen bestätigen die Regel – die Mehrheit der angelsächsischen Tonsetzerschaft bewegte.

Zumal vor dem durch den NS-Staat forcierten Zivilisa­tionsbruch blühte auf der Insel manche laue Blume einer edlen, nicht selten überzüchteten Neoromantik. Von Frank Delius bis Ralph Vaughan Williams, von Gustav Holst bis zu William Walton – es war vornehmlich ein an klassischen Werten orientiertes Schönklang­ideal, mit dem man daheim wie drüben «in Europa» zu punkten hoffte.
In die Reihe eines kompositorischen Konservatismus, der lieber in feinem Tweed auftritt als in revoluzzerhafter Stürmer- und Drän­gerpose, gehört nicht zuletzt Lennox Berkeley (1903-1989), ein Zeitgenosse Benjamin Brittens. Doch während Britten ...

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Opernwelt Januar 2006
Rubrik: CDs, Seite 56
von Albrecht Thiemann

Vergriffen
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Kooperation oder Okkupation?

Die europäische Aristokratie war die Geburtshelferin der Oper. Ohne Fürsten und Könige, die Operntheater errichteten und Aufführungen finanzierten, hätte die Gattung wohl kaum ­jenen Aufschwung genommen, der ihr im 17. und 18. Jahrhundert zuteil wurde. Jeder Fürst, der etwas auf sich hielt, hatte sein eigenes Theater, in dem natürlich auch Oper gespielt wurde. Dass...

Diamant, ungeschliffen

Schaut man nicht real hinunter in den Schlund, der an viel zu vielen Orten der Stadt gähnt, sondern imaginär hinauf zu den Musen im Olymp, dann könnte man meinen, es sei neuer Glanz eingekehrt in die Hütte. Leipzig, von nicht wenigen Kulturschaffenden nach wie vor als provinzielles Fürstentum der Kunst belächelt und seit Monaten durch die megalomane Baustelle...

Ein Prunkstück, schmählich verschenkt

Enrico Caruso war noch kein Star, als er die Rolle des Federico in Francesco Cileas «L’Arlesiana» übernahm. Die Uraufführung dieser Oper am 27. November 1897 im Mailänder Teatro Lirico, die nicht zuletzt dank seiner Leistung ein großer Erfolg wurde, darf als sein eigentlicher Durchbruch gelten. Die Arie «E la solita storia» zählt seither zu den absoluten...