Nürnberg alaaf!

Aron Stiehl inszeniert in Bonn Wagners «Meistersinger von Nürnberg» mit karnevaleskem Lokalkolorit und politischem Subtext. Kunst, das ist die Lebensversicherung gegen Populismus

Opernwelt - Logo

Endlich bekommt man die Beckmesser-Harfe einmal zu Gesicht! Dieses wie auf dürren Vogelbeinen stehende Zwerginstrument, das Richard Wagner erfand (oder erfinden ließ), um den gewünschten Fake-Klang für die Laute des Merkers zu erreichen: ein wenig kläglich, aber doch so, dass die Töne gut zu hören sind in einem großen Opernhaus. In Bonn bringt Beckmesser die Harfe gleich mit zum Ständchen samt Harfenistin in Röckchen und Schleifchen. Mit säuerlicher Miene erledigt sie den Job, rächt sich aber geschäftstüchtig.

Ein ums andere Mal hält sie die Hand auf, die emotionale Notlage des Merkers gnadenlos ausnutzend, und setzt das Spiel nicht eher fort, bis sie wieder einige Scheinchen reicher ist.

Beckmesser, im eleganten, für die späte Uhrzeit schön unpassenden morning coat, muss abdrücken und sieht sich nun den ausufernden Präludien der Künstlerin ausgesetzt. Zwei Lehrbuben – der eine hat den Kopf meist hinter einem Reclam-Heft, der andere zwischen Kopfhörern – gehen Beckmesser wie der mürrischen Harfenistin ordentlich auf den Nerv. Wie die Gehilfen des Landvermessers in Kafkas «Schloss»-Roman kommen sie gleichsam zum Fenster wieder herein, wenn sie durch die Türe hinauskomplimentiert ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt November 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Clemens Haustein

Weitere Beiträge
Gratwanderung

Bilde Künstler, rede nicht», das war eine Formel, die dem Bildungsbürger behagte: Das Genie solle gefälligst «bleibende» Werte und Werke schaffen, Manifestationen nach Art des Beethovenschen «Titanismus» oder Bruckner’scher «Kathedralen». Dabei führt Goethes Satz ins genaue Gegenteil weiter: «Nur ein Hauch sei Dein Gedicht» – Aura statt Marmor. Nun ist Musik ein...

Überwiegend glücklich

In Stuttgart rauscht der Sommer seinem Ende entgegen. Hoch blaut der Himmel, die Temperaturen verlieren ihre brachiale Kraft. Am Rande des Kessels, im Süden der Stadt, steht eine wahre Villa Kunterbunt. In diesem Haus aus den 1930er-Jahren wohnt Helene Schneiderman, Kammersängerin, Ehrenmitglied der Staatsoper Stuttgart, mit ihrem Mann, dem Grafiker und Künstler...

TV, Streams, Kino 11/24

arte
03.11. – 17.40 Uhr
Das Requiem von Fauré im Pariser Panthéon
Ein besonderer Ort für ein besonderes Konzerterlebnis: Das Panthéon bildet die beeindruckende Kulisse für Gabriel Faurés Meisterwerk «Le Requiem», aufgeführt vom Orchestre de Chambre de Paris unter der Leitung von Thomas Hengelbrock. Es ist das erste Konzert des Dirigenten in seinem Amt als...