«Ne me touche pas!»
Sensibel in der Zeichnung der Figuren, subtil in der Reduzierung der Partitur auf gerade mal fünf Instrumente und spannend erzählt wie ein Krimi – so kommt diese maximal verdichtete Version von «Pelléas et Mélisande» daher. Das impressionistische Drame lyrique, das Debussy als Sohn des Fin de Siècle 1902 mit scheinbar von der Welt entfernter Entrücktheit auf den Text von Maurice Maeterlinck erdachte, heißt hier zeitgemäß feministisch nur mehr «Mélisande».
Die typisierte Femme fragile eines zauberhaften Unschuldswesens muss eben heute nicht mehr als bloße Projektion männlicher Begierden erscheinen. Das märchenhafte Mädchen braucht kein ergänzendes «und» mehr, um vollends seine Existenz zu definieren, es ist zu einer modernen französischen Frau mutiert, die sich ihrer Wirkungsmacht auf das einst starke Geschlecht sehr wohl bewusst ist und die in ausgeprägter Natürlichkeit damit spielt. Den Ring, den ihr Golaud als Pfand ihrer lieblosen Beziehung an den Finger gesteckt hat, verliert sie eben nicht einfach so wie ein Kind beim naiven Herumtollen am Teich: Die Emanzipierte wirft ihn bewusst ins Waschbecken des gemeinsamen Lofts, hätte ihn beim Abschrauben des Abflusses später sogar fast ...
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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Im Fokus, Seite 24
von Peter Krause
Unter den Bühnenwerken von Gaetano Donizetti findet sich kein einziges mit dem Namen «Bastarda». Was jetzt am Théâtre La Monnaie an zwei Abenden zu sehen war, trug gleichwohl diesen Titel und den Namen des Komponisten. Der zureichende Grund: In vier Opern Donizettis spielt Elisabeth Tudor, die Tochter Heinrichs VIII., eine zentrale Rolle. Olivier Fredj nahm dies...
Herr Dusapin, von Nikolai Rimski-Korsakow ist die schöne Sentenz überliefert, Kunst sei «im Grunde die bezauberndste und hinreißendste Lüge». D’accord?
Die Kunst eine Lüge? Eine interessante Ansicht. Für mich ist Kunst, insbesondere Musik, die überwiegende Zeit dazu da, etwas zu verbergen.
Aber was?
Sich selbst, in meinem Fall also den Komponisten. Wobei es für...
Diese «Tristan und Isolde»–Produktion besitzt unbestreitbare musikalische Qualitäten. Samuel Sakker, der kürzlich an der Seite von Dorothea Röschmann in Nancy als Tristan debütierte, hat seither noch an Souveränität gewonnen. Vor allem der dritte Aufzug mit den sehnenden Fieberfantasien geriet ihm jetzt mustergültig – von der Wortverständlichkeit über die mühelosen...