Musterhaft dosiert

Tschaikowskys «Pique Dame» bewegt unter Mariss Jansons – vor allem dank des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks

Opernwelt - Logo

Nicht dass er unzufrieden wäre mit seiner Karriere. Aber eine Sache wurmt Mariss Jansons schon: Oper, die hätte er gern häufiger dirigiert. Vieles spielt da eine Rolle. Gewiss sein Herzinfarkt 1996 während einer «Bohème», aber auch sein Hang zum Kontrollator – der 72-Jährige fühlt sich unwohl, wenn er nicht Herr selbst der kleinsten Dinge ist. Im aufwendigsten Musikgenre ist das mit viel Arbeit und noch mehr Zeitaufwand verbunden. Zeit, die Jansons leider nicht hat.

Umso spektakulärer, wenn es dann doch zur (in diesem Fall konzertanten) Oper kommt wie im Oktober 2014 im Münchner Gasteig.

Natürlich bewegt sich der Lette mit Tschaikowskys «Pique Dame» in einer Welt, die er förmlich eingeatmet hat. Das hört man aus jedem Takt des Live-Mitschnitts heraus. Und es ist aufschlussreich zu erleben, wie Jansons gerade nicht Klischees bedient. Also: Pathos ja, Emotion erst recht, ebenso die ausladende Geste, die Prachtentfaltung etwa beim Auftritt der Zarin. Doch gerade weil Jansons die Partitur ernst nimmt, ist das alles musterhaft dosiert. Nichts wird an den Effekt verraten. Jansons benutzt die Stilmittel Tschaikowskys nicht, er spürt ihrer Ursache und ihrer Funktion nach.

Mit seinem ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Dezember 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Markus Thiel

Weitere Beiträge
Wem die Stunde schlägt

Damals, 1836 in Sankt Petersburg, gab es nach dem Polenakt keinen Applaus. Trotz der prächtigen Tänze und Gesänge, mit denen Michail Glinka ihn in seiner neuen Oper servierte. Die Polen hatten schließlich erst sechs Jahre zuvor versucht, den russischen Zaren loszuwerden, der ihnen vom Wiener Kongress als König vorgesetzt worden war. Jetzt saß Nikolaus I. im...

Tagträume, ausgelebt

Kleiner als im Mittelsächsischen Theater Freiberg, einem der ältesten noch bestehenden Stadttheater Deutschlands (1791), geht’s kaum. Das Puppenstubentheater in der historischen Freiberger Altstadt mit einer Bühne von 10 mal 12 Metern und einem Orchestergraben, in den gerade mal 44 Musiker passen, bietet ganzen 294 Zuschauern Platz. Trotzdem ist hier nicht...

Friedhofsruhe

Parma versteht sich als Verdi-Stadt, wenn nicht gar als Verdi-Stadt par excellence. Dabei hat der Komponist nie dort gelebt. Keine einzige seiner Opern kam dort zur Uraufführung. Gewiss: Verdi wurde in einem Dorf geboren, das zur Provinz Parma gehört. Aber über ein halbes Jahrhundert lang residierte er auf dem Landgut Sant’Agata in der Provinz Piacenza, ökonomisch...