Merkwürdig anämisch
Charles Laughton! In «The Paradine Case» aus dem Jahr 1947 spielt er einen Richter, der in privatem Rahmen die Frau ausgerechnet jenes Verteidigers angrapscht, der gerade alles unternimmt, um einen Freispruch in einem Mordprozess zu erwirken, der unter Laughtons Vorsitz stattfindet. Wenn sie als brave Gattin ihrem Mann helfen wolle, so das unausgesprochene Quidproquo, dann ...
An der Wiener Staatsoper fühlt man sich auf verblüffende Weise an Laughton erinnert.
Gerhard Siegel ist als durchdringend-stemmfreudiger Herodes ein feister, schwitzender Hausherr im Smoking, der in einem Vorhof am Rande der Wüste eine Soiree abhält, dabei en passant seine Frau piesackt (Michaela Schuster keift mondän zurück), vor allem aber in Richtung Stieftochter sabbert: Die Großaufnahme des Griffs nach ihrer Hand und Salomes (per Livevideo projiziertes) Erstarren scheinen die (vermutlich zufällige) Filmanspielung zu bekräftigen. Später, wenn für Salomes Tanz im Video von live auf Aufzeichnung gewechselt wird, kaschiert den Übergang ein bildfüllender Männerrücken, genau wie in «Rope / Cocktail für eine Leiche» (1948).
Gleich zwei Reverenzen an Alfred Hitchcock? Ja – aber Vorsicht: Was das an Spannung ...
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Opernwelt April 2023
Rubrik: Panorama, Seite 50
von Walter Weidringer
Niemand kann den König spielen», lautet eine alte Theaterweisheit, das müssen die anderen tun. Sie gilt erst recht für den Hochstapler, auf der Bühne wie im wahren Leben. Also sitzt er in der Prager Staatsoper an einem Wirtshaustischlein, die Hose etwas zu hoch sitzend, aber durchaus elegant (schließlich ist er Schneider), die Füße leicht nach außen gestellt wie...
Ein Königreich für eine Wampe, pardon, für ein Embonpoint? Nicht in Nürnberg. Claudio Otellis Falstaff ist zwar kein James Dean und auch kein Casanova – ein Fettwanst aber ebensowenig. Seine Baritonstimme gleicht der Figur. Leicht füllig ist sie, dabei durchaus gelenkig, weder überbordend noch schwammig, eher stabil, gutsitzend in Mittellage wie Tiefe und...
Als zuletzt 2004 am Nürnberger Staatstheater «Die Großherzogin von Gerolstein» gespielt wurde, kam es zum Skandal. Im Zentrum standen seinerzeit der übergroße Phallus des Generals Bumm und eine Rakete, die unter US-amerikanischer Flagge durchs letzte Bild flog. Die USA hatten im Jahr zuvor den Irak überfallen, unter dem Vorwand, das Land besitze...