«Mein Morgen- und abendliches Künstlergebet  heißt: Deutsche Oper»

Ist Robert Schumann wirklich der undrama­tische Komponist schlechthin? Auch einhundertfünfzig Jahre nach ­seinem Tod gilt er vor allem als Meister der Liedkunst und der Klaviermusik. ­Dabei hat er zeitlebens in Wort und Klang um das Musiktheater gerungen. Das Ergebnis dieses langen Kampfes ist eine einzige vollständige Oper. «Geno­veva» (1850) ­lässt sich als modernes Traumspiel lesen – frühes Beispiel ­eines imaginären Theaters, das dramatische Handlung als Folie zur Beschreibung ­innerer Zustände ­begreift. Unser Essay unternimmt den Versuch einer Neu­bewertung – und bezieht dabei jenen ­literar- und kultur­historischen Kontext ein, der Schumanns Auseinandersetzung mit dem Genoveva-Stoff prägte. Dazu eine Auslese neuer Schumann-Literatur.

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Schumann gilt, wie Brahms, als der undramatische Komponist schlechthin, als Meister der lyrischen Kleinform, dessen Begabung sich in der Klaviermusik und im Lied erschöpft. Schumann selbst empfand es, wie er 1842 an Carl Koßmaly schrieb, anders: «Wissen Sie mein Morgen- und abendliches Künstlergebet? Deutsche Oper heißt es. Da ist zu wirken.»
Schumann, dies macht seine kompositorische Entwicklung deutlich, strebte nach öffentlicher Wirksamkeit.

Schritt für Schritt eroberte er sich nach seinen neuartigen, im Jahrzehnt zwischen 1830 und 1840 entstandenen Klavierwerken, mit dem Lied, der Kammermusik, der Sinfonie und schließlich dem Oratorium «Das Paradies und die Peri» breitere Publikumsschichten. Sein Endziel war die Oper, als repräsentativste Gattung das musikalische Medium der bürgerlichen Öffentlichkeit schlechthin. Oper versprach breites Prestige und wirtschaftlichen Erfolg, an denen Schumann nach seiner 1840 erfolgten Heirat mit Clara Wieck gelegen sein musste.
Schumanns Liebeswerben um die Oper reicht bis in die Anfänge seines Komponierens zurück. Erste Opernpläne wälzte, nach Ausweis seines ­Tagebuchs und seiner Briefe, bereits der Zwanzigjährige: «Ich bin in Feuer und Flammen ...

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Opernwelt Jahrbuch 2006
Rubrik: Robert Schumann, Seite 74
von Uwe Schweikert

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