Massenet: Werther
Die verengende Transposition von Goethes epochalem Briefroman aus dem Jahr 1774 in das schlichte Handlungsschema einer «Literaturoper» eröffnete der Musik neue Weite: Räume der Seele und gewiss auch des Körperlichen in üppiger Fin-de-Siècle-Pracht. Neben der Fassung mit einem Tenor in der Titelpartie sah Massenet in einer weiteren Version einen Bariton als Werther vor. Nachdem das Wiener Festival KlangBogen beide Lesarten gegenüberstellte, folgt nun auch die Brüsseler Aufführungsserie diesem Muster (Tenor und Bariton alternieren).
Ludovic Tézier verstand es bei der Premiere, den leicht verwegenen und psychisch nicht ganz stabilen Sturm- und Drang-Literaten vorzüglich zu beglaubigen. Wie eine Rokokofigur, empfindsam-bescheiden, dann wieder frühbürgerlich emanzipiert, schwebt Charlotte durchs Stück: morgenfrisch und energisch die Mezzosopranistin Jennifer Larmore, mit wohldosierter Intensität und Geschmeidigkeit. Zusammen sorgen sie für intensive Intimität und Theatralik im kurzen Augenblick des vom Tod bedrohten Liebesglücks.
Guy Joostens Produktion ist durchgängig in einem Biedermeier-Winkel angelegt, den Johannes Leiacker aus einer mit großen glatten Platten verkleideten Ecke ...
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