Masken und Metamorphosen

Ingo Metzmacher lässt «Die Gezeichneten» von Franz Schreker in München Wurzeln schlagen, Krzysztof Warlikowski und Małgorzata Szczęśniak schaffen eine Aura des Unbestimmten

Was würde passieren, striche man, einfach so, in einer Aufführung die letzten Takte des «Tristan» oder die anapästischen Fortissimo-Schläge am Schluss von Strauss’ «Salome»? Rechtschaffene Empörung würde die Verantwortlichen überrollen – zumal in München. Obwohl dort zum Auftakt der Opernfestspiele die vier Schlusstakte von Franz Schrekers Dreiakter «Die Gezeichneten» kassiert wurden, war das fürs Pub­likum kein Thema.

Auf Nachfrage erklärte der Produktionsdramaturg Miron Hakenbeck, es sei der Wunsch des Dirigenten Ingo Metzmacher gewesen, das Werk «symphonisch» identisch schließen zu lassen wie das Vorspiel, mit dem D-Dur-Sphärenklang. Damit kommt es jedoch zu einer gravierenden Umcodierung der szenischen Dramaturgie (die anderen Striche im dritten Akt wirken dagegen beinahe lässlich). Denn fehlt die krachende Gegenrede in Moll mit dem dazu querständigen Motiv d-fis-f-a, wird der Bezug auf den offenen bitonalen Anfang des Werks gekappt: diese kaleidoskopische Klanggestalt, Symbol für ein Geheimnis (das offene Kunstwerk?), wird am Schluss von Schreker im dreifachen Forte zerschlagen.

Warum? Eine Antwort zu finden, wäre eine lohnende Aufgabe für die Regie gewesen. So löst sich in ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2017
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Götz Thieme

Vergriffen
Weitere Beiträge
Noch mal davongekommen

Es ist gerade mal zwölf Monate her, da drohte das größte Freiluftopernfestival der Welt, seit 1913 ob seiner großartigen Bühnenspektakel gerühmt, unrettbar in den Bankrott zu schlittern. Eine angesichts ungebrochener Popularität paradoxe Situation, die auf das inkompetente Management des Veroneser Bürgermeisters Flavio Tosi und des von diesem engagierten...

Treffen sich zwei

Reisen bildet. Reisen erweitert den Horizont. Das Denken. Die Empfindsamkeit. Insbesondere wenn man an Orte gelangt, die erkleckliche Überraschungen bereithalten. Orte wie der Mond. Eben dahin zieht es auch Professor Barbenfoullis und sein karnevalistisch-kapriziöses Forscherteam. Nichts Geringeres haben sich die lustigen Herren zur Aufgabe gemacht, als die...

Broschüren, die die Welt bedeuten (wollen)

Jetzt, wo sogar die Spielzeitvorschau der Berliner Lindenoper den Weg von der Druckerei in die Briefkästen gefunden hat, hüpfen die Augen wieder einmal vor Freude. Wie reich haben uns die Opernhäuser beschert! Nicht nur mit bunten Farben und ausgefallenen Papiersorten, sondern auch mit vielen «special effects» – grafische, versteht sich. Manche Broschüre scheint...