Magisch versponnen

Hermann Bäumer und Lydia Steier sorgen am Mainzer Staatstheater für die deutsche Erstaufführung von Pascal Dusapins «Perelà – Uomo di fumo»

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Erst ragt ein Fuß aus dem schrägen Kaminrohr. Dann ein Bein. Schließlich rutscht ein ganzer Kerl heraus. Landet auf einer leeren, blaustrahlenden Bühne. Splitternackt, die Haut kreidefahl. Ein Luftwesen, das keinen festen Boden kennt. Schon gar nicht den Zweck der roten Märchenkaterstiefel, die an der Rampe stehen. Die Ordnung der Dinge, die Logik der Welt ist Perelà so fremd wie die gerade vorbeischlurfende Alte. Ein Kuriosum wie der Körper, in den er soeben gefahren ist. Tastend, stockend, tänzelnd, mit großer Anmut spielt der Tenor Peter Tantsits diese «Geburt».



Tritt fassen muss am Anfang auch das groß besetzte Philharmonische Orchester des Mainzer Staatstheaters: Aus einer einzigen Motivzelle treiben die Musiker unter GMD Hermann Bäumer schwebende Klanggespinste, fluoreszierende Tonwolken, krachende Sound-Gewitter, die das Geschehen bis zu den letzten Flötenseufzern begleiten. Die aufziehen, wirbeln und verwehen wie der ephemere «Held» der vor zwölf Jahren uraufgeführten vierten Oper des französischen Komponisten Pascal Dusapin (Ende März bringt La Monnaie in Brüssel sein jüngstes Bühnenwerk heraus: «Penthesilea»). Nach Vorstellungen in Paris (siehe OW 4/2003) und Montpellier, ...

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Opernwelt März 2015
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Albrecht Thiemann

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